11.07.2017 Zivilrecht

OGH: Zum Verkehrsunfall zwischen einem aus einer Garageneinfahrt kommenden PKW und einem Fußgänger

Ein Fußgänger auf einem Gehweg darf darauf vertrauen, dass querende PKW sein Vorrecht, den Gehweg (Gehsteig) zu benützen, respektieren, weshalb insofern keine unklare Verkehrslage vorliegt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Straßenverkehrsrecht, Verkehrsunfall, Fußgänger, Gehweg, Gehsteig, KFZ, Überqueren Vertrauensgrundsatz, unklare Verkehrslage, unklare Verkehrssituation
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 2 StVO, § 3 StVO, § 19 StVO

 

GZ 2 Ob 59/17s, 16.05.2017

 

Die Beklagte hat mit ihrem PKW aus einer Tiefgarage kommend einen Gehweg überquert und den klagende Fußgänger niedergestoßen.

 

OGH: Ein Gehweg ist für den Fußgängerverkehr bestimmt (§ 2 Abs 1 Z 11 StVO), weshalb dort grundsätzlich Fußgänger den „Vorrang“ haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Verkehrsfläche, auf der im vorliegenden Fall der Zusammenstoß stattfand, nicht eher als Gehsteig iSd § 2 Abs 1 Z 10 StVO zu qualifizieren ist, weil auch ein Gehsteig für den Fußgängerverkehr bestimmt ist.

 

Die Beklagte, die den Kläger wahrgenommen hat, hätte daher diesen auf dem Gehweg (Gehsteig) weder gefährden noch behindern dürfen. Der Kläger hingegen durfte darauf vertrauen, die Beklagte werde sein Vorrecht, den Gehweg (Gehsteig) zu benützen, beachten (§ 3 StVO). Indizien dafür, dass der Kläger vor dem Losfahren der Beklagten mit deren verkehrswidrigem Verhalten rechnen musste, weshalb er sich nicht mehr auf den Vertrauensgrundsatz berufen könnte, ergeben sich aus dem Sachverhalt nicht.

 

Deshalb wird auch dadurch, dass beide Verkehrsteilnehmer anhielten und sich in etwa gleichzeitig wieder in Bewegung setzten, keine unklare Verkehrssituation begründet. Es war daher kein Fehlverhalten des Klägers, dass er nach dem Wahrnehmen des Pkw der Beklagten in der Ausfahrt dieses Fahrzeug nicht ständig genau beobachtete. Deshalb kann ihm aus der - nur für den Fall des „genauen Beobachtens“ des Pkw - festgestellten Vermeidbarkeit des Unfalls kein Vorwurf gemacht werden.

 

Nach der Rsp liegt eine unklare Verkehrslage vor, wenn zwei Fahrzeuge angehalten und dadurch beide gem § 19 Abs 8 StVO auf den Vorrang verzichtet haben. Hier aber ist Unfallbeteiligte die Klägerin als Fußgängerin, auf die § 19 StVO nicht anwendbar ist.