30.10.2017 Zivilrecht

OGH: Unterfertigung des Mietvertrags nach Befristungsbeginn?

Es ist grundsätzlich nicht unzulässig, anlässlich der Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis bereits am – hier nur drei Tage davor liegenden – Monatsanfang beginnt; ein derartiges Verbot ist weder dem ABGB noch dem MRG zu entnehmen; dass diese Vereinbarung hier zur Umgehung zwingender Befristungsbestimmungen des MRG getroffen worden wäre, hat niemand behauptet; die Antragstellerin hat sich bis zuletzt auf die aufgrund der dreijährigen Frist wirksame Befristung berufen und auch die Antragsgegner haben nicht nur keine Umgehungabsicht bei Vertragsabschluss behauptet, sondern gestützt auf die wirksame Befristung sogar einen Übergabsauftrag erwirkt


Schlagworte: Mietrecht, Unterfertigung des Mietvertrags nach Befristungsbeginn
Gesetze:

 

§ 29 MRG

 

GZ 5 Ob 123/17z, 29.08.2017

 

OGH: Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs und der Begründung der nachträglichen Zulassung ist nicht davon auszugehen, der OGH habe in der Entscheidung 5 Ob 208/10i die Wirksamkeit einer erst nach Befristungsbeginn erfolgten Unterfertigung der schriftlichen Verlängerungsvereinbarung nicht geprüft. Die überaus ausführlich begründete Entscheidung hatte – vergleichbar zu dem hier zu entscheidenden Fall – die Präklusion des Mietzinsüberprüfungsantrags des dortigen Antragstellers nach § 16 Abs 8 MRG zu beurteilen und sprach aus, diese hänge davon ab, ob die Verlängerungsvereinbarung wirksam erfolgt sei. Ausdrücklich nahm diese Entscheidung auf die höchstgerichtliche Rsp Bezug, dass im Fall, dass keine gesetzlich durchsetzbare Befristung vereinbart worden sei, die Frist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG mit dem Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zu laufen beginne. Dass es im dort entschiedenen Fall nicht um den erstmaligen Abschluss des Mietvertrags, sondern um die Verlängerung eines zuvor auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses um wieder drei Jahre ging, macht deshalb keinen rechtlich relevanten Unterschied, weil § 29 Abs 1 Z 3 lit a und b MRG (der dort ebenso anzuwenden war wie im hier zu beurteilenden Fall) bei Wohnungen sowohl hinsichtlich der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer als auch deren Verlängerung jeweils eine Mindestfrist von drei Jahren verlangt. Wäre es daher – wie die Antragsgegner meinen – rechtlich jedenfalls unzulässig, den schriftlichen Vertrag erst nach dem vereinbarten Befristungsbeginn zu unterfertigen, wäre der erkennende Senat wohl schon deshalb von einer – im Verfahren 5 Ob 208/10i ausdrücklich verneinten – Präklusion des Mietzinsüberprüfungsantrags nach § 16a Abs 8 MRG ausgegangen.

 

Auch zu 4 Ob 601/95 sah der OGH den Abschluss des schriftlichen Mietvertrags am 28. 2. 1991 mit der Vereinbarung eines Mietverhältnisses ab 1. 1. 1991 auf die Dauer von einem Jahr, somit bis 1. 1. 1992 als unbedenklich an. Die Befristung sei schon nach dem Inhalt der Vertragsurkunde wirksam mit einem Jahr vereinbart worden. Dort ging es im Gegensatz zur Entscheidung 5 Ob 208/10i nicht um eine Verlängerung eines bereits bisher befristeten Mietverhältnisses, sondern um eine erstmalige Vermietung.

 

Aus diesen Entscheidungen ist abzuleiten, dass es nicht grundsätzlich unzulässig ist, anlässlich der Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis bereits am – hier nur drei Tage davor liegenden – Monatsanfang beginnt; ein derartiges Verbot ist weder dem ABGB noch dem MRG zu entnehmen. Dass diese Vereinbarung hier zur Umgehung zwingender Befristungsbestimmungen des MRG getroffen worden wäre, hat niemand behauptet; die Antragstellerin hat sich bis zuletzt auf die aufgrund der dreijährigen Frist wirksame Befristung berufen und auch die Antragsgegner haben nicht nur keine Umgehungabsicht bei Vertragsabschluss behauptet, sondern gestützt auf die wirksame Befristung sogar einen Übergabsauftrag erwirkt.

 

Im Übrigen orientierte sich das Rekursgericht grundsätzlich an der höchstgerichtlichen Rsp, wonach die Befristung durchsetzbar ist, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist. Dabei erfüllt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich, dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann, das Erfordernis des § 29 Abs 1 Z 3 MRG, was dann der Fall ist, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder wenn er durch die Angabe des Anfangszeitpunkts eindeutig festgelegt ist.

 

Der OGH hat schon mehrfach ausgesprochen, dass die Auslegung des Inhalts einer konkreten vertraglichen Beziehung – auch bei der Auslegung eines Bestandvertrags unter dem Aspekt der Bestimmung des Endtermins – von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt ist und damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG bildet. Ob ein Endtermin ausreichend bestimmt ist, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre. Dies ist aber hier nicht der Fall:

 

Das Rekursgericht konnte sich bei seiner Auslegung auf den völlig eindeutigen und unmissverständlichen Vertragsinhalt stützen, wonach das Bestandverhältnis am 1. 10. 2011 beginnen und am 30. 9. 2014 enden sollte. Diese schriftlich festgehaltene dreijährige Vertragsdauer entsprach nicht nur dem in diesem Sinn auch festgestellten Parteiwillen der damaligen Mietvertragsparteien, sondern auch dem Kenntnisstand der Antragstellerin bei Abtretung der Hauptmietrechte an sie und wurde letztlich durch den Antrag auf Übergabsauftrag des Zweitantragsgegners, dem die Antragstellerin iS dieses übereinstimmenden Verständnisses der Parteien keine Einwendungen entgegensetzte, noch einmal bestätigt. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Auslegung des Rekursgerichts, hier sei von einer durchsetzbaren Befristung auszugehen, keine unvertretbare Fehlbeurteilung zu erkennen.

 

Auch der Revisionsrekurs zeigt eine solche nicht auf. Die Antragsgegner behaupten im Wesentlichen, vor dem 4. 10. 2011 (dem Datum der Vertragsunterfertigung und Einzug der Antragstellerin) habe es schon nach dem ABGB kein Vertragsverhältnis der Streitteile gegeben. Abgesehen davon, dass dies dem schriftlichen Vertragsinhalt widerspricht, ist der Bestandvertrag ein Konsensualvertrag, der durch die Willenseinigung über Bestandgegenstand und Bestandzins zustandekommt. Der Einzug der Mieter in das Bestandobjekt ist daher entgegen der Meinung des Erstgerichts und der Antragsgegner nicht Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen des Bestandverhältnisses. Die Frage, in welchem Ausmaß die Mieter für Zeiträume schon Mietzins zu zahlen haben, in denen sie das Bestandobjekt allenfalls (noch) nicht nutzten, stellt sich hier nicht. Dass es vor dem 4. 10. 2011 schlichtweg keinen Vertrag gegeben hätte, ist den Feststellungen nicht gesichert zu entnehmen; dass der schriftliche Mietvertrag erst am 4. 10. 2011 abgeschlossen wurde, sagt insbesondere im Hinblick auf den dort ausdrücklich vereinbarten Beginn des Vertragsverhältnisses bereits am 1. 10. 2011 nichts über einen allenfalls bereits vor dem 4. 10. 2011 bestehenden natürlichen Konsens der Mietvertragsparteien aus. Eine Umgehungsabsicht wurde – wie bereits ausgeführt – nicht behauptet.