11.12.2017 Zivilrecht

OGH: § 364 Abs 2 ABGB – Lärm- und Geruchsbelästigung iZm Hühnerhaltung

Die Ortsunüblichkeit der von dem auf den Grundstücken der Beklagten im nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts „bäuerlichen“ Ausmaß gehaltenen Geflügel ausgehenden Einwirkungen durch Gestank und Lärm ist dadurch nachgewiesen, dass es sich um ein Erholungsgebiet handelt und höchstens Wildenten kommen, und selbst diese nur selten und nicht lärmen; wenngleich ältere Entscheidungen, wonach bei unzulässigen Immissionen die Tierhaltung als solche untersagt werden konnte, durch die die neuere Rsp überholt sind, wird doch in der jüngeren Rsp bejaht, dass anderes dann gelten kann, wenn offenkundig kein anderes Mittel zur Verhinderung unzulässiger Immissionen zur Verfügung steht


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, Hühnerhaltung, Lärmbelästigung, Geruchsbelästigung, Bauernhof, Erholungsgebiet, Bebauungsvorschriften, summierte Einwirkungen
Gesetze:

 

§ 364 ABGB, § 1302 ABGB

 

GZ 6 Ob 98/17f, 25.10.2017

 

OGH: Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer des Grundstücks einem Nachbarn „die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen“.

 

Die örtlichen Verhältnisse sind sowohl für das Maß der Immission als auch für das Maß der Beeinträchtigung zu beachten. Wesentlich sind neben dem Grad und der Dauer der Einwirkung sowie ihrer Störungseignung auch das Herkommen und das öffentliche Interesse. Bei der Frage, ob eine wesentliche Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit vorliegt, ist in erster Linie ein objektiver, auf die Benützung der Nachbargrundstücke abgestellter Maßstab anzulegen. Nach dem festgestellten Sachverhalt kann eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Kläger in der Möglichkeit der Nutzung ihrer Liegenschaft durch Grad und Intensität der Lärm- und Gestankeinwirkungen nicht verneint werden. Die Ortsunüblichkeit der von dem auf den Grundstücken der Beklagten im nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts „bäuerlichen“ Ausmaß gehaltenen Geflügel ausgehenden Einwirkungen durch Gestank und Lärm ist dadurch nachgewiesen, dass es sich um ein Erholungsgebiet handelt und höchstens Wildenten kommen, und selbst diese nur selten und nicht lärmen.

 

Der zu beurteilende Sachverhalt ist entgegen der Ansicht der Beklagten mit jenem der Entscheidung des OGH 4 Ob 99/12f nicht vergleichbar. Dort wurde nämlich festgestellt, dass in unmittelbarer Nähe der Liegenschaften große Flächen landwirtschaftlich genutzt werden und sich ein anderer Hof mit Hühnerhaltung nur 250 bis 350 Meter entfernt befindet. Im vorliegenden Fall handelt es sich hingegen um ein der Erholung dienendes Gebiet, in dem keine landwirtschaftlichen oder industriellen Betriebe bestehen.

 

Zu ihrer Rüge, das Berufungsgericht hätte ein Beweisverfahren durchführen und zum Ergebnis kommen müssen, dass die Haltung von dreißig Hennen „ohne Hahn und Gänsen“ keine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger darstelle, sind die Beklagten auch auf die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen zu verweisen, deren Bekämpfung im Revisionsverfahren nicht möglich ist.

 

Der Begründung der Abweisung des Hauptklagebegehrens des Berufungsgerichts halten die klagenden Revisionswerber entgegen, das Berufungsgericht habe sich nicht mit den Besonderheiten des Falls auseinandergesetzt. Die Haltung von Nutztieren im fallrelevanten Wohngebiet, das (ausschließlich) zu Erholungszwecken genutzt werde, sei ebenso behördlich verboten wie die Errichtung von freistehenden Nebengebäuden. Bauführungen für landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke seien nicht gestattet.

 

Nach stRsp folgt aus dem Wortlaut des § 364 Abs 2 ABGB, dass der Kläger dem Beklagten nur die Einwirkung (den Eingriff) untersagen kann, nicht den diese Einwirkung verursachenden Betrieb als solchen. Der Verpflichtete hat dafür zu sorgen, dass sein Nachbar nicht durch unzulässige Immissionen beeinträchtigt wird; die Auswahl der Mittel bleibt dabei ihm überlassen. Wenngleich ältere Entscheidungen, wonach bei unzulässigen Immissionen die Tierhaltung als solche untersagt werden konnte, durch die die neuere Rsp überholt sind, wird doch in der jüngeren Rsp bejaht, dass anderes dann gelten kann, wenn offenkundig kein anderes Mittel zur Verhinderung unzulässiger Immissionen zur Verfügung steht.

 

Auf das Vorliegen eines solchen Sonderfalls haben sich die Kläger schon in der Klage mit den in der Revision wiederholten Argumenten berufen. Konkret andere Mittel haben die Beklagten weder behauptet noch bewiesen.

 

Die Rechtsansicht der Kläger ist berechtigt.

 

Die vom Gemeinderat der Gemeinde, in der die Grundstücke der Streitteile liegen, beschlossenen, zum öffentlichen Recht zählenden Bebauungsvorschriften, deren Geltung unbestritten ist, geben den Klägern kein subjektives Privatrecht, sodass die Kläger darauf keinen privatrechtlichen Unterlassungsanspruch gründen können.

 

Wohl aber ist zu beachten, dass die Beklagten die Bebauungsvorschriften bei der Auswahl der Mittel zur Verhinderung der unzulässigen Immissionen zu beachten haben. Andernfalls würde die Abstellung eines rechtswidrigen Zustands mit rechtswidrigen Mitteln erlaubt sein.

 

Nach den von den Beklagten nicht widersprochenen Ausführungen des Berufungsgerichts ist zur Unterbindung der unzulässigen Immissionen auch die Errichtung eines Stalls an einem anderen Standort als dem derzeit genutzten notwendig. Die Errichtung ist den Beklagten aber nach den Bebauungsvorschriften nicht gestattet. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass den Beklagten offenkundig kein anderes – erlaubtes – Mittel zur Verhinderung der unzulässigen Immission zur Verfügung steht, haben doch die Beklagten anderes auch nicht behauptet.

 

Die vom Berufungsgericht thematisierte Frage der „summierten Einwirkungen“ wird in den Rechtsmittelschriftsätzen nicht angesprochen. Darunter wird der Fall verstanden, dass mehrere Ursachen nur gemeinsam einen Erfolg herbeiführen. Bei Immissionen, die von verschiedenen Störern gemeinsam ausgehen, sind die Grundsätze des § 1302 ABGB sinngemäß anwendbar.

 

Das Berufungsgericht hat die Frage der summierten Einwirkungen aber nur im Hinblick auf die von ihm verfügte Beschränkung der Anzahl der gehaltenen Tiere aufgeworfen. Da schon das Hauptklagebegehren berechtigt ist, muss zu der Frage nicht Stellung genommen werden.