19.03.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob bei Inanspruchnahme des Kinderfreibetrags nach § 106a EStG durch den geldunterhaltspflichtigen Elternteil der sich aus der Anrechnung der Transferleistungen ergebende Kürzungsbetrag um die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag zu reduzieren, der Kindesunterhalt somit um diese Steuerersparnis zu erhöhen ist

Seit Einführung des Kinderfreibetrags (§ 106a EStG) ist der sich aus der Anrechnung der Transferleistungen ergebene Kürzungsbetrag jedenfalls um die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag zu reduzieren, der Kindesunterhalt somit um diese Steuerersparnis zu erhöhen, weshalb die vom OGH bereits mehrfach verwendete Formel zur Ermittlung des Kürzungsbetrags zu lauten hat: „Unterhaltsanspruch = Prozentunterhalt – (Prozentunterhalt x Grenzsteuersatz x 0,004) + Unterhaltsabsetzbetrag + Steuerersparnis durch Kinderfreibetrag); maßgeblich ist dabei die konkrete Steuerersparnis; unter dem Grenzsteuersatz ist nicht der Prozentwert zu verstehen, sondern dessen ganze Zahl einzusetzen


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Bemessung, Kinderfreibetrag
Gesetze:

 

§ 231 ABGB, § 106a EStG

 

GZ 6 Ob 240/17p, 17.01.2018

 

OGH: Es entspricht stRsp des OGH, dass die nach Auffassung des VfGH und des OGH (teilweise) Anrechnung der vom betreuenden Elternteil bezogenen Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) auf den vom anderen Elternteil zu leistenden Geldunterhalt nach der vom Rekursgericht angewendeten Formel zu erfolgen hat, wobei allerdings klarzustellen ist, dass unter dem „Grenzsteuersatz“ nicht der Prozentwert zu verstehen ist, sondern dessen ganze Zahl einzusetzen ist (Gitschthaler aaO Rz 757/3; Schwimann/Kolmasch aaO 145).

 

Der Gesetzgeber führte mit der Steuerreform 2009 einen Kinderfreibetrag ein (§ 106a EStG), der – anders als der Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 3 EStG – nicht von der Einkommensteuer, sondern von der Steuerbemessungsgrundlage in Abzug gebracht wird. Diese Steuerentlastung betrug ab dem Veranlagungsjahr 2009 monatlich zwischen 4 und 6 EUR, im Schnitt somit 5 EUR. Die Literatur vertrat dazu die Auffassung, dass diese Steuerersparnis des Geldunterhaltspflichtigen aus dem Kinderfreibetrag (wie der Unterhaltsabsetzbetrag) den Anrechnungsbetrag von Transferleistungen auf den Geldunterhalt kürzt, die dargestellte Formel somit um den Zusatz „+ Steuerersparnis durch Kinderfreibetrag“ bzw (vereinfachend) „+ 5“ zu ergänzen sei. Letzterem folgte der OGH in der E 3 Ob 100/15z jedenfalls im Ergebnis und unter Hinweis darauf, dass eine mathematisch genaue Berechnung des Unterhalts nicht erforderlich ist; vielmehr sei eine Globalbemessung vorzunehmen.

 

Lediglich Tews vertrat die Auffassung, der geldunterhaltspflichtige Elternteil müsse diese Steuerersparnis nicht an das unterhaltsberechtigte Kind weitergeben.

 

Mit der Steuerreform 2015 erhöhte der Gesetzgeber den Kinderfreibetrag deutlich, womit die Steuerentlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils nunmehr – abhängig von der jeweiligen Steuerbelastung – zwischen 13,75 und 6,25 EUR monatlich beträgt; im vorliegenden Fall geht es um 8,75 bzw (gerundet) 9 EUR. Grundsätzlich liegt zwar auch dieser Betrag noch im Rundungsbereich (Erhöhung des Kindesunterhalts um rund 2 %; vgl etwa 6 Ob 15/09p), in Anbetracht der deutlich erhöhten Steuerersparnis und der in der Praxis zahlreichen Anwendungsfälle bedarf es aber einer Stellungnahme des OGH; die Überlegung etwa des LG Salzburg (21 R 295/13y), es sei im Hinblick auf die geringe Auswirkung des Kinderfreibetrags vertretbar, auf eine Kürzung der Anrechnung von Transferleistungen um die Steuerersparnis aus dem Kinderfreibetrag zu verzichten, teilt der OGH jedenfalls nicht.

 

Die Ausführungen von Tews (aaO), der geldunterhaltspflichtige Elternteil müsse die sich aus dem Kinderfreibetrag ergebende Steuerersparnis nicht an das unterhaltsberechtigte Kind weitergeben, gründet auf der Überlegung, dass in diesem Fall die Steuerersparnis „völlig verpuffe“ und es dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden könne, dass er geldunterhaltspflichtige Elternteile „schlicht pflanzen“ habe wollen.

 

Dem halten allerdings Schwimann/Kolmasch zutreffend entgegen, es sei in einem System der mittelbaren Steuerentlastung (wie der durch VfGH und OGH entwickelten Anrechnung der Transferleistungen) von Unterhaltsleistungen folgerichtig, dass zusätzliche Absetz- oder Freibeträge für den geldunterhaltspflichtigen Elternteil ein „Nullsummenspiel“ darstellen und mittelbar dem Kind durch geringere Anrechnung der Transferleistungen zugute kommen müssen; die Anrechnung der Transferleistungen sei nur insoweit gerechtfertigt, als auf die Unterhaltslast nicht bereits im Steuerrecht selbst Bedacht genommen und den Transferleistungen deshalb auch die Funktion der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltpflichtigen Elternteils zugeschrieben wird. Der OGH schließt sich deshalb der von der überwiegenden Literatur vertretenen Auffassung an, dass der sich aus der Anrechnung der Transferleistungen ergebende Kürzungsbetrag jedenfalls um die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag zu reduzieren, der Kindesunterhalt somit um diese Steuerersparnis zu erhöhen und die vom OGH bereits mehrfach verwendete Formel zur Ermittlung des Kürzungsbetrags deshalb zu lauten hat: „Unterhaltsanspruch = Prozentunterhalt – (Prozentunterhalt x Grenzsteuersatz x 0,004) + Unterhaltsabsetzbetrag + Steuerersparnis durch Kinderfreibetrag“. Ob dies auch für andere Absetz- oder Freibeträge gilt, kann hier dahinstehen.

 

Die von Tews geäußerte Befürchtung, durch die Anwendung von Pauschalsätzen (5 EUR aufgrund der Steuerreform 2009 bzw nunmehr 9 bzw 10 EUR aufgrund der Steuerreform 2015 könne es dazu kommen, dass die durch den Kinderfreibetrag ausgelöste Unterhaltserhöhung höher sei als die erzielte Steuerersparnis, erscheint unbegründet: Maßgeblich ist die konkrete Steuerersparnis; im Übrigen wäre dies ohnehin lediglich bei Einkommen der Fall, die mit einem Höchststeuersatz von 25 % zu versteuern sind.

 

Der Vater meint in der Revisionsrekursbeantwortung, die Minderjährige habe im Verfahren erster Instanz gar nicht vorgebracht, dass er tatsächlich den Kinderfreibetrag erhalte. Damit übersieht er aber, dass nach § 106a Abs 2 iVm § 106 Abs 2 EStG für ein Kind, für das dem Steuerpflichtigen der Unterhaltsabsetzbetrag gewährt wird, von Amts wegen ein Kinderfreibetrag iHv 300 EUR jährlich zu berücksichtigen ist. Es hätte sich also vielmehr der geldunterhaltspflichtige Vater im Verfahren erster Instanz darauf berufen müssen, dass er keinen Unterhaltsabsetzbetrag und damit auch keinen Kinderfreibetrag bezieht.