16.07.2018 Zivilrecht

OGH: Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB (iZm Hundebiss)

Erfolgte der Biss in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verabreichung des Leckerlis, hat sich die Klägerin selbst in die Gefahrensituation gebracht; es wurde auch nicht festgestellt, dass der Hund bereits zuvor Menschen in einer solchen Situation gebissen hätte; berührte sie den Hund jedoch im Zuge des Aufhebens eines Gegenstands vom Boden und erschreckte ihn damit, so war dies für den Beklagten unvorhersehbar; dass sich der Hund an der konkreten Stelle befand, war der Klägerin aber bekannt, hatte sie ihm doch einige Minuten zuvor das „Leckerli“ gegeben; von Seiten des Beklagten hätte der Vorfall in der letztgenannten Konstellation nur dadurch verhindert werden können, dass er dem Hund einen Maulkorb angelegt hätte; dies erscheint jedoch zum einen eher unüblich, zum anderen war ja der Klägerin bekannt, dass der Hund keinen Maulkorb trug, womit sie offensichtlich auch einverstanden gewesen war


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Haftung des Tierhalters, Hundebiss
Gesetze:

 

§ 1320 ABGB

 

GZ 6 Ob 64/18g, 24.05.2018

 

OGH: Es entspricht stRsp des OGH, dass sich die Frage, wie ein Tier zu verwahren und/oder zu beaufsichtigen ist, immer nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Ob dem Halter des Tieres nach den jeweiligen Gegebenheiten der Nachweis gelungen ist, die objektiv gebotene und zumutbare Sorgfalt eingehalten zu haben, ist deshalb eine im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts gelegene Einzelfallbeurteilung, der keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage liegt im Übrigen schon deshalb nicht vor, weil angesichts der konkreten Situation, die zum Biss des Hundes des Beklagten führte, nicht erkennbar ist, warum der Umstand, ob dem Hund die Umgebung im Gastraum der Klägerin bereits bekannt war, entscheidungsrelevant sein sollte.

 

Es mag sein, dass § 5 Abs 1 des Wiener TierhalteG eine Verpflichtung des Hundehalters in Lokalen vorsieht, den Hund entweder mit einem Maulkorb zu versehen oder so an der Leine zu führen, dass eine jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet ist. Eine derartige generelle Verpflichtung besteht allerdings nach dem Recht des Bundeslandes Salzburg – und dort erfolgte der Hundebiss tatsächlich – nicht; vielmehr ermöglicht § 17 Abs 1 des Salzburger Landessicherheitsgesetzes den einzelnen Gemeinden die Anordnung, dass Hunde (ua) an bestimmten Orten an einer Leine geführt werden oder einen Maulkorb tragen müssen. Dass für das Gebiet der Stadtgemeinde B*****, insbesondere für dort befindliche Lokale oder Pensionen, eine derartige Verordnung erlassen worden wäre, lässt sich weder dem Akteninhalt entnehmen noch beruft sich die Klägerin darauf.

 

Das Erstgericht hat es feststellungsmäßig offen gelassen, ob der Hund des Beklagten die Klägerin biss, nachdem sie ihm ein „Leckerli“ gegeben hatte und a) die Hand wieder wegnahm oder b) sich einige Minuten später bückte, um neben dem Hund etwas auf dem Boden Liegendes aufzuheben, dabei mit der Hand in Richtung des Hundes gelangte und ihn berührte. Jedenfalls lag der Hund, den das Erstgericht als folgsam und Befehlen gehorchend beschrieb, zu diesem Zeitpunkt auf dem Boden des Gastraums seitlich neben den Füßen des Beklagten, der an einem Tisch Platz genommen hatte; die Klägerin war damit einverstanden gewesen, dass der Hund unangeleint geblieben war.

 

Vor dem Hintergrund der Rsp, wonach die Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB keine Erfolgshaftung sein und auch nicht überspannt werden darf, ist die Auffassung der Vorinstanzen, den Beklagten treffe in beiden Fallkonstellationen kein haftungsbegründendes Verschulden, durchaus vertretbar. Erfolgte der Biss in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verabreichung des Leckerlis, hat sich die Klägerin selbst in die Gefahrensituation gebracht; es wurde auch nicht festgestellt, dass der Hund bereits zuvor Menschen in einer solchen Situation gebissen hätte. Berührte sie den Hund jedoch im Zuge des Aufhebens eines Gegenstands vom Boden und erschreckte ihn damit, so war dies für den Beklagten unvorhersehbar; dass sich der Hund an der konkreten Stelle befand, war der Klägerin aber bekannt, hatte sie ihm doch einige Minuten zuvor das „Leckerli“ gegeben. Von Seiten des Beklagten hätte der Vorfall in der letztgenannten Konstellation nur dadurch verhindert werden können, dass er dem Hund einen Maulkorb angelegt hätte; dies erscheint jedoch zum einen eher unüblich, zum anderen war ja der Klägerin bekannt, dass der Hund keinen Maulkorb trug, womit sie offensichtlich auch einverstanden gewesen war.