24.01.2012 Verfahrensrecht

OGH: Provisorialunterhalt gem § 382 Z 8 lit a EO – kann ein „ausreichendes“ Eigeneinkommen des Anspruchswerbers zu einer Versagung von Provisorialunterhalt führen?

Im Provisorialverfahren ist angemessener und nicht bloß notwendiger Unterhalt auf gleicher materiellrechtlicher Grundlage wie im Hauptverfahren zu gewähren


Schlagworte: Exekutionsrecht, einstweilige Verfügung, einstweiliger Unterhalt, angemessener / notwendiger Unterhalt
Gesetze:

§ 382 EO, § 94 ABGB

GZ 1 Ob 235/11g, 22.12.2011

 

OGH: Voraussetzung für die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ist die Verletzung der Unterhaltspflicht im Antragszeitpunkt oder doch zumindest bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht liegt vor, wenn die freiwilligen Leistungen des Verpflichteten den gesetzlichen Unterhaltsanspruch nicht decken. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Scheidung und den Verschuldensausspruch kann provisorischer Unterhalt nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO begehrt werden.

 

Die Auferlegung eines einstweiligen Unterhalts nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ist nur bei einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch möglich. Schon der historische Gesetzgeber wollte mit der Vorgängerbestimmung den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Ehepartners sichern. Die gefährdete Partei hat im Unterhaltsprovisorialverfahren zwar nicht die Gefährdung ihres Anspruchs zu bescheinigen, wohl aber Unterhaltsanspruch und Unterhaltsverletzung, dh sie hat auch die materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen darzutun. Dazu gehören bei Ehegatten Grund und Höhe des Anspruchs, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, dessen Lebensumstände sowie die Unterhaltsgrundlagen des § 94 Abs 2 ABGB bei aufrechter Ehe bzw die Unzumutbarkeit eigener Erwerbstätigkeit oder das Fehlen von Vermögenserträgnissen nach Scheidung der Ehe. Die Klägerin macht hier einen Ergänzungsanspruch auf der materiellrechtlichen Grundlage von § 94 ABGB gegen den besser verdienenden Beklagten, der keinen Unterhalt leistet, geltend.

 

Nach stRsp und hL ist Gegenstand einer Provisorialmaßnahme nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO der einstweilige angemessene und nicht bloß der notwendige Unterhalt, handelt es sich doch um eine besondere einstweilige Verfügung, die dem Berechtigten einen in der Regel endgültig zustehenden Unterhalt zuerkennt, wobei die materiellrechtlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruchs im Haupt- und im Provisorialverfahren gleich sind.

 

Weshalb sich ein Unterhaltsberechtigter, dem der angemessene Unterhalt aufgrund des bescheinigten Sachverhalts vorenthalten wird, wie ein Gemeinschuldner im Interesse seiner Gläubiger mit dem für eine bescheidene Lebensführung erforderlichen Unterhalt begnügen sollte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

 

Der Kritik Gitschthalers, dass in bestimmten Verfahrenskonstellationen unbillige Ergebnisse erzielt würden, kann entgegnet werden, dass einerseits bei der Erlassung der Provisorialmaßnahme nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO der Sachverhalt im Allgemeinen möglichst genau zu ermitteln ist und andererseits überhöhter oder gar nicht zustehender einstweiliger Unterhalt jedenfalls bei Schlechtgläubigkeit des Empfängers zurückgefordert werden kann. Dadurch lassen sich regelmäßig sachgerechte, im Einklang mit den gesetzgeberischen Wertungen liegende Ergebnisse erzielen. Für eine Einschränkung des einstweilig zu leistenden Unterhalts auf einen notdürftigen - entsprechend einem Postulat der Gefährdung der tatsächlichen Lebenshaltung des Unterhaltsberechtigten - finden sich weder in § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO noch in der Absicht des (historischen) Gesetzgebers Anhaltspunkte.

 

Die Vorinstanzen haben zutreffend den zugesprochenen monatlichen einstweiligen Unterhalt auf der materiellrechtlichen Grundlage des § 94 ABGB ausgemittelt. Die Rsp erkennt bei beiderseitigen Einkünften dem weniger verdienenden Ehepartner 40 % des Familieneinkommens abzüglich seines Eigeneinkommens zu.