28.02.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs für eine auf Gewährung von Rechtsschutz gem § 7 AKG gerichtete Klage

Eine Nachprüfung der Entscheidung über einen Rechtsschutzantrag im ordentlichen Rechtsweg nach Ausschöpfung des kammerinternen Instanzenzugs (etwa im Wege einer „sukzessiven Kompetenz“ oder nach dem Vorbild des § 8 Abs 1 VerG) ist gesetzlich nicht vorgesehen


Schlagworte: Zulässigkeit des Rechtswegs, Arbeiterkammerrecht, Rechtsschutz, Antrag, Ablehnung, Rechtsschutz, Klage, Bescheid
Gesetze:

§ 1 JN, § 7 AKG, §§ 56 ff AVG

GZ 2 Ob 68/11f, 22.12.2011

 

OGH: Rechtsgrundlage für das Arbeiterkammerwesen ist das Arbeiterkammergesetz 1992 (AKG). Gem § 1 AKG sind die Kammern für Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte berufen, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten und zu fördern. Zufolge § 3 AKG sind die Arbeiterkammern und die Bundesarbeitskammer Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach § 14 iVm § 7 AKG hat jeder kammerzugehörige Arbeitnehmer Anspruch auf Rechtsberatung und Rechtsschutz in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten nach Maßgabe des von der Bundesarbeitskammer beschlossenen Rahmen-Regulativs, das die Grundlage für die Regulative auf Landesebene bildet. Das Rechtsschutzregulativ der beklagten Partei sieht einen kammerinternen Instanzenzug vor. Insofern existiert demnach - anders als noch nach dem AKG 1954 - eine gesetzliche Verpflichtung gegenüber dem einzelnen Kammermitglied. Die Arbeiterkammern und die Bundesarbeitskammer unterliegen der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit und Soziales, der in Ausübung der Aufsicht ua gesetzwidrige Beschlüsse aufzuheben und das Rahmen-Rechtsschutzregulativ zu genehmigen hat (§ 91 AKG).

 

In den Gesetzesmaterialien wird zu § 7 AKG ua folgendes ausgeführt:

 

„Im Streitfall hat zunächst die Arbeiterkammer durch Bescheid festzustellen, ob Rechtsschutz gewährt wird oder ob ein entsprechender Antrag eines Kammerzugehörigen deswegen abgelehnt wird, weil die Arbeiterkammer der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für den Rechtsschutz entweder aufgrund des Gesetzes oder aufgrund des Rahmenregulativs bzw des Regulativs der Länderkammer nicht gegeben sind. Der Rechtsschutzwerber kann gegen einen ablehnenden Bescheid die im allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Rechtsmittel ergreifen, wobei letzte Instanz im ordentlichen Verwaltungsverfahren der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist, gegen dessen Entscheidung die Anrufung des VwGH bzw des VfGH möglich ist. Es ist allerdings zu bedenken, dass der Selbstverwaltungskörper Arbeiterkammer bei der Frage, ob im Einzelfall Rechtsschutz gewährt wird oder nicht, einen gewissen Ermessensspielraum besitzt. Dies ergibt sich schon aufgrund des Abs 1, wonach lediglich 'nach Maßgabe eines von der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer zu beschließenden Rahmenregulativs' Rechtsschutz zu gewähren ist. Jene Behörden und Gerichtshöfe, die über Bescheide der Arbeiterkammer in Angelegenheiten der Rechtsschutzgewährung entscheiden, können einen entsprechenden Bescheid der Arbeiterkammer also nur dann aufheben wenn die Arbeiterkammer bei ihrer Entscheidung das pflichtgemäße Ermessen überschritten hat.“

 

Der VwGH hat dazu allerdings bereits festgehalten, dass der in den Gesetzesmaterialien erwähnte Instanzenzug gegen ablehnende Bescheide „der Arbeiterkammer“ an den zuständigen Bundesminister im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden hat.

 

Der OGH hat die Auffassung vertreten, dass die beratenden und die Interessen vertretenden Tätigkeiten der nichtterritorialen Selbstverwaltungskörper ohne Zwangsautorität wahrgenommen werden und daher nicht in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallen, sondern dem „gesellschaftlichen“ Wirkungsbereich der Selbstverwaltung zuzuordnen sind. Aus fehlerhafter Rechtsberatung abgeleitete Schadenersatzansprüche eines Kammermitglieds wurden nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen geprüft. Um solche Schadenersatzansprüche geht es hier aber nicht, sondern um einen Rechtsschutzgewährungsanspruch aus einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft.

 

Zu den weisungsfrei (im „eigenen Wirkungsbereich“) zu besorgenden Angelegenheiten der Arbeiterkammern zählt auch die Gewährung von Rechtsschutz gem § 7 AKG. Der VfGH sieht in dieser Bestimmung die Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln. Sofern im Einzelfall strittig sei, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz - einer primären Aufgabe der Kammer - gegeben sind, habe die Arbeiterkammer darüber durch Bescheid zu befinden, wogegen der Rechtsmittelwerber im Einzelfall die im AVG vorgesehenen Rechtsmittel ergreifen könne.

 

Der erkennende Senat schließt sich der Meinung des VfGH an. Von „gesellschaftlichen“ Aktivitäten der Arbeiterkammern unterscheidet sich deren Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz durch gerichtliche Vertretung maßgeblich dadurch, dass „im Streitfall“ nach Maßgabe der auf der Grundlage des Rahmen-Regulativs der Bundesarbeitskammer beschlossenen Verfahrensordnungen (Rechtsschutzregulative) Entscheidungen über Rechtsschutzanträge zu treffen sind, bei denen den Arbeiterkammern ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt ist (vgl § 7 Abs 5 AKG). Ihnen kommt in diesem Bereich somit nach bestimmten Verfahrensregeln ausschließliche Entscheidungsbefugnis zu. Eine Nachprüfung dieser Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nach Ausschöpfung des kammerinternen Instanzenzugs (etwa im Wege einer „sukzessiven Kompetenz“ oder nach dem Vorbild des § 8 Abs 1 VerG) ist gesetzlich nicht vorgesehen.

 

Unbedenklich ist die zweitinstanzliche Auslegung des klägerischen Prozessvorbringens dahin, dass dieses keinen Hinweis auf eine vertragliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch enthält.

 

Aus den dargelegten Erwägungen ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, dass der Klage das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht.