02.04.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Zum unlauteren Ausnutzen des Rufs / der Unterscheidungskraft (des Auffälligkeitswerts)

Auch nicht registrierte Unternehmenskennzeichen sind bei hoher Bekanntheit - ebenso wie bekannte Marken (§ 10 Abs 2 MSchG; Art 9 Abs 1 lit c GMV) - gegen das unlautere Ausnutzen ihrer Kennzeichnungskraft und der ihnen entgegengebrachten Wertschätzung geschützt (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG)


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Markenrecht, unlautere Geschäftspraktiken, Rufausbeutung, Unterscheidungskraft, Wertschätzung, nicht registrierte Unternehmenskennzeichen
Gesetze:

§ 1 UWG, § 10 Abs 2 MSchG, Art 9 Abs 1 lit c GMV

GZ 4 Ob 212/11x, 28.02.2012

 

OGH: Unlautere Rufausbeutung setzt nach der bisherigen Rsp des Senats die Gefahr einer Rufübertragung voraus. Die angesprochenen Kreise müssen daher die Qualitätsvorstellungen, die sie mit einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Ware oder Dienstleistung verbinden, auf ein anderes Unternehmen oder eine andere Ware oder Dienstleistung übertragen („Imagetransfer“).

 

Für eine solche Rufübertragung ist zwar die Gleichartigkeit des Unternehmensgegenstands oder der Waren und Dienstleistungen nicht erforderlich; die übernommenen Zeichen müssen auch nicht Sonderrechtsschutz genießen. Wohl aber muss es objektiv möglich sein, dass das Publikum die für das Ausgangsunternehmen oder -produkt typischen Qualitätsvorstellungen auf das Zielunternehmen oder -produkt überträgt. Für die Beurteilung dieser Frage kommen mehrere Kriterien in Betracht. Eine Rufübertragung wird umso weniger stattfinden, je weiter die Unternehmensgegenstände oder Produkte von einander entfernt sind. Weiters werden auch die Überschneidung der Abnehmerkreise und die Art des Rufinhalts von Bedeutung sein.

 

Auf die Frage, ob eine Rufübertragung ieS vorliegt, kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an. Denn die Beklagte hat jedenfalls in unlauterer Weise die Bekanntheit (die Unterscheidungskraft) des Trikots ausgenutzt. Insofern besteht kein Unterschied zum Ausnutzen der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke (§ 10 Abs 2 MSchG; Art 9 Abs 1 lit c GMV).

 

Eine bekannte Marke ist vor der unlauteren Ausnutzung ihrer Wertschätzung und Unterscheidungskraft geschützt. Das trifft nach der Rsp des EuGH insbesondere dann zu, wenn ein Dritter versucht,

„sich durch die Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen“.

 

Gleiches gilt nach der Rsp des Senats auch für das Ausnutzen der (bloßen) Unterscheidungskraft einer bekannten Marke: Verwendet ein Dritter die bekannte Marke, um dadurch das Interesse des Publikums auf sein Produkt zu lenken, so profitiert er von der Bekanntheit dieser Marke, ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen; er hängt sich an die Bekanntheit der fremden Marke an, um den Absatz seiner eigenen Waren oder Dienstleistungen zu fördern.

 

Die hohe Bekanntheit eines Zeichens ist meist mit einer positiven Grundeinstellung zu den damit bezeichneten Waren oder Dienstleistungen verbunden. Daher werden solche Zeichen bei den angesprochenen Kreisen in der Regel positive Emotionen hervorrufen. Dritte, die bekannte Zeichen in der Werbung für eigene Waren oder Dienstleistungen verwenden, nutzen in subtiler Weise diese positive Stimmung und fördern auch dadurch ihren eigenen Wettbewerb. Auch insofern partizipieren sie ohne eigene Leistung an den Kosten und Mühen, die der Inhaber des Zeichens aufwenden musste, um den hohen Bekanntheitsgrad und die damit meist verbundene Wertschätzung zu erreichen. Das Ausnutzen der Unterscheidungskraft (des Auffälligkeitswerts) wird daher in vielen Fällen - auch ohne Rufübertragung ieS - mit einem Ausnutzen der dem Zeichen entgegengebrachten Wertschätzung (des „Rufes“) einhergehen. Es liegt daher nahe, dass der EuGH beides unter dem Begriff des „Trittbrettfahrens“ zusammenfasst.

 

Diese Erwägungen gelten nicht nur bei eingetragenen Marken, sondern auch bei anderen Unternehmenskennzeichen, die hohe Bekanntheit erlangt haben und daher von Mitbewerbern (zumindest) zum Erwecken von Aufmerksamkeit für ihre eigenen Waren und Dienstleistungen herangezogen werden können. Denn die Gründe für den besonderen Schutz bekannter Marken (§ 10 Abs 2 MSchG; Art 9 Abs 1 lit c GMV) sind, wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt, lauterkeitsrechtlicher Natur. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn der diesbezügliche Schutz von der - lauterkeitsrechtlich an sich irrelevanten - Eintragung des Zeichens abhinge. Außerhalb des Anwendungsbereichs der markenrechtlichen Bestimmungen wird daher in den genannten Fällen idR ein sonstiges unlauteres Verhalten iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG vorliegen.

 

Zwar genügt nach stRsp das bloße Ausnutzen des Rufs für sich allein nicht, um die Unlauterkeit zu begründen; es muss etwas Anstößiges hinzutreten. Anhaltspunkte dafür bilden aber insbesondere die Verwendung identischer Zeichen und die - außer bei konkreter Widerlegung - meist naheliegende Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen. Diese Grundsätze gelten auch beim hier im Vordergrund stehenden Ausnutzen der Unterscheidungskraft (des Auffälligkeitswerts). Unlauterkeit ist daher auch hier im Allgemeinen anzunehmen, wenn ein Dritter in der Werbung für eigene Waren oder Dienstleistungen ein identisches Zeichen verwendet und die auf dieser Grundlage naheliegende Zielrichtung, (zumindest) an der Bekanntheit dieses Zeichens zu schmarotzen, nicht konkret widerlegt.