02.04.2012 Verfahrensrecht

OGH: EuZVO – Zustellungen im Ausland

Die Wirksamkeit der Zustellung, die Heilung von Zustellungsmängeln sowie die Berechtigung und Konsequenzen einer Annahmeverweigerung sind nach dem Recht des Prozessstaats zu beurteilen


Schlagworte: Europäisches Zivilverfahrensrecht, Zustellung, Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks, Sprache
Gesetze:

Art 7 EuZVO, § 106 Abs 2 ZPO, Art 8 EuZVO

GZ 8 Ob 17/12a, 28.02.2012

 

OGH: Die Bestimmungen der EuZVO gelangen dann zur Anwendung, wenn (im sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung) ein Schriftstück von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu Zwecken der Zustellung zu übermitteln ist.

 

Die Vorschriften der EuZVO greifen in das Verfahrens- und Zustellrecht des Prozessstaats (lex fori) grundsätzlich nicht ein. Dementsprechend sind die Wirksamkeit der Zustellung, die Heilung von Zustellungsmängeln sowie die Berechtigung und Konsequenzen einer Annahmeverweigerung nach dem Recht des Prozessstaats zu beurteilen. Der Hinweis in Art 7 Abs 1 EuZVO auf die primär einzuhaltende Ortsform betrifft nur die Art und Weise, wie das Schriftstück an den Empfänger zugestellt, diesem also zur Kenntnis gebracht wird. Damit soll für die Empfangsstelle klargestellt werden, dass sie bei Vornahme der Zustellung (außer bei einem gegenteiligen Antrag der Übermittlungsstelle) nach ihren eigenen Zustellungsvorschriften vorgehen soll. Bajons ist somit darin zuzustimmen, dass sich der (technische) Zustellungsvorgang an sich nach dem Recht des Empfangsstaats richtet. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Zustellung weiterhin nach dem Recht des Prozessstaats zu beurteilen ist. Aus diesem Grund wurde mit der ZVR-Novelle 2004 in § 106 Abs 2 ZPO angeordnet, dass eine Zustellung durch die Behörden des Zustellungsstaats immer dann für die Rechtswirksamkeit genügt, wenn entweder die Vorschrift des Empfangsstaats oder jene des österreichischen Rechts eingehalten sind. Für die Rechtmäßigkeit einer Auslandszustellung ist demnach auch im österreichischen Zivilprozess (lex fori) grundsätzlich die Einhaltung der Ortsform ausreichend. Der Entscheidung 4 Ob 60/05k kann nur ein solcher Aussagegehalt beigemessen werden.

 

Dem Sprachenregime des Art 8 EuZVO liegt das international anerkannte Konzept zugrunde, dass der Empfänger jedenfalls eine Zustellung in der Amtssprache des Zustellungsorts akzeptieren muss. Durch die Einhaltung der Vorschriften des Wohnsitzstaats ist der Empfänger nicht beschwert, müsste er sie doch auch für Zustellungen von Schriftstücken dieses Staats hinnehmen.