09.04.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG – sind Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG bzw Zeiten des Wochengeldbezugs einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit gleichgestellt, ohne dass es darauf ankommt, ob das Dienstverhältnis während des Beschäftigungsverbots bzw des Wochengeldbezugs besteht oder aufgelöst wird?

Nur eine bestehende Erwerbstätigkeit (zB Dienstverhältnis) kann iSd § 24 Abs 2 KBGG „vorübergehend unterbrochen werden“


Schlagworte: Sozialrecht, Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens, Erwerbstätigkeit, vorübergehende Unterbrechung, Mutterschutz, Beschäftigungsverbot, Wochengeldbezug
Gesetze:

§ 24 KBGB

GZ 10 ObS 170/11i, 13.03.2012

 

OGH: Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens („einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld“) nach dem 5. Abschnitt des KBGG setzt ua voraus, dass der ansprucherhebende Elternteil „in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gem Abs 2 war, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken“ (§ 24 Abs 1 Z 2 KBGG).

 

Der Begriff der Erwerbstätigkeit ist legal definiert (§ 24 Abs 2 KBGG). Demnach versteht man unter Erwerbstätigkeit die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt sind „Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes“ (§ 24 Abs 2 Satz 2 KBGG).

 

Nach dem Wortlaut des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG sind der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG (oder nach gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften) nicht schlechthin gleichgestellt, sondern nur „Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit“ während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG (oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften). Zutreffend hat das Berufungsgericht daraus geschlossen, dass während dieser Zeiten eines Beschäftigungsverbots eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit, zB ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis, bestehen muss, denn nur eine bestehende Erwerbstätigkeit (zB Dienstverhältnis) „kann vorübergehend unterbrochen werden“.

 

Die Auslegung nach dem Wortlaut der Bestimmung wird durch die Gesetzesmaterialien gestützt. Dort heißt es ausdrücklich, dass keinesfalls mehr von einer tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgegangen werden kann, wenn die Erwerbstätigkeit beendet wurde (zB das Dienstverhältnis aufgelöst oder das Gewerbe abgemeldet wurde).

 

Die Anspruchsvoraussetzung, dass der Elternteil, der das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld beziehen will, in den letzten sechs Monaten vor der Geburt einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit tatsächlich nachgegangen ist, ist sachlich begründet, bezweckt doch diese Leistung als (teilweiser) Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens, jenen Elternteilen, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit zu geben, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard zu erhalten.