23.04.2012 Zivilrecht

OGH: Spielverluste – zum Ersatzanspruch nach § 25 Abs 3 GSpG und zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung dieses Ersatzanspruchs auf das Existenzminimum

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 27. September 2011, G 34/10-16, zu Recht erkannt: Die Wortfolge, „wobei die Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits abschließend beschränkt ist; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum“ im 6. Satz des § 25 Abs 3 GSpG in der Fassung BGBl I Nr 105/2005, war verfassungswidrig


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Spielerschutz, Auskunftspflicht, Bonität, Schutzpflicht, keine Beschränkung auf Existenzminimum, Schutzgesetz
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1311 ABGB, § 25 GSpG

GZ 6 Ob 250/11z, 15.03.2012

 

Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Berufung auf § 25 Abs 3 GSpG aus dem Titel des Schadenersatzes 200.000 EUR; diesen Betrag habe er in den Spielcasinos der Beklagten verloren.

 

OGH: Nach § 25 Abs 2 GSpG kann die Spielbankleitung Personen ohne Angabe von Gründen vom Besuch der Spielbank ausschließen. Nach der Rsp des OGH besteht zwar dennoch ein dahin gehender Kontrahierungszwang der Beklagten, dass der Ausschluss eines Spielers vom Spiel nicht willkürlich erfolgen darf; Willkür ist aber nur bei denkunmöglichen oder ausschließlich subjektiven, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Gründen anzunehmen. Bei Bedenken im Hinblick auf eine existenzgefährdende Spielsucht (auch wenn diese nicht durch konkrete Bonitätsauskünfte untermauert ist) ist demnach eine Zutrittsverweigerung nach § 25 Abs 2 GSpG durchaus gedeckt (vgl RIS-Justiz RS0110237, wonach maßgeblich die Nachvollziehbarkeit der angegebenen Gründe ist). Die Beklagte müsste in einem solchen Fall nach § 25 Abs 3 GSpG nur von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, den Besucher im Rahmen eines persönlichen Gesprächs zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu befragen; sie ist also nicht ausschließlich auf Bonitätsauskünfte angewiesen. Hätte die Beklagte nach einem solchen Gespräch Bedenken im Hinblick auf dessen Spielsucht und verweigerte sie ihm deshalb den Zutritt, wäre im Hinblick auf § 25 Abs 2 GSpG ein Rechtsbruch durch Verstoß gegen den Kontrahierungszwang auszuschließen.

 

Im Übrigen sieht § 25 Abs 3 GSpG ausdrücklich die Möglichkeit vor, bei Unmöglichkeit der Einholung der erforderlichen Auskünfte oder deren Ergebnislosigkeit den Spielteilnehmer gegebenenfalls zu sperren.

 

Nach nunmehr stRsp des OGH bezweckt § 25 Abs 3 GSpG nicht bloß den Schutz öffentlicher Interessen, sondern zumindest auch den Schutz der Vermögensinteressen des einzelnen Spielers. Eine Verletzung dieser Norm kann daher - neben erforderlichen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde - auch einen Schadenersatzanspruch des Spielers zur Folge haben, wobei § 25 Abs 3 GSpG als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zugunsten des Spielbankbesuchers anzusehen ist.

 

Bei Verletzung einer Schutznorm hat der Geschädigte nach stRsp nur den Eintritt des Schadens, dessen Höhe und die Normverletzung zu beweisen, es bedarf hingegen von seiner Seite keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhangs, weil die Pflichtwidrigkeit vermutet wird. Steht die Übertretung des Schutzgesetzes fest, kann sich der Schädiger von seiner Haftung nur dadurch befreien, dass er mangelndes Verschulden seiner Leute nachweist oder die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ernstlich zweifelhaft macht. Besteht die festgestellte Schadensursache - wie im vorliegenden Fall - in einer Unterlassung, hat die Spielbank zu beweisen, dass ihre Leute die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben.

 

Der Kläger wurde erst im August 2006 (also gegen Ende des hier maßgeblichen Schadenszeitraums) von einem Mitarbeiter der Beklagten dahin angesprochen, ob er sich das Ganze leisten könne; daraufhin antwortete der Kläger, er habe sehr viel Geld von einer Versicherung aus einem Unfall bekommen. Dies kann aber im Hinblick auf die festgestellten zahlreichen Besuche des Klägers im Zeitraum zwischen Jänner 2005 und Mitte August 2006 nicht als ausreichend angesehen werden.

 

Soweit die Beklagte im Hinblick auf die von den Vorinstanzen erörterten Spielverluste des Klägers meint, selbst bei Einhaltung ihrer Schutzpflichten hätte sie den Kläger nicht gesperrt und auch nicht sperren müssen, kann dazu noch nicht abschließend Stellung genommen werden. Das Berufungsgericht hat dem Erstgericht - insoweit für den OGH unüberprüfbar - ergänzende Beweisaufnahmen und Feststellungen zu diesen Verlusten aufgetragen. Ohne deren genaue Kenntnis kann jedoch nicht beantwortet werden, inwieweit diese Verluste den Kläger in seiner Existenz gefährdeten.

 

Sollte das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nunmehr zu einer Verurteilung der Beklagten gelangen, wird es bei Ermittlung der Höhe des dem Beklagten zustehenden Anspruchs das Erkenntnis des VfGH vom 27. 9. 2011 (G 34/10) zu beachten haben, mit welchem § 25 Abs 3 GSpG teilweise aufgehoben wurde.