28.05.2012 Zivilrecht

OGH: § 1 KSchG – Verbraucher- bzw Unternehmerstellung von geschäftsführenden GmbH-Minderheitsgesellschaftern

Der Senat hält es für die Unternehmerqualifikation eines (hier geschäftsführenden) GmbH-Gesellschafters für erforderlich, dass dieser die Mehrheit der Geschäftsanteile oder zumindest 50 % hievon hält


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Unternehmer, Verbraucher, geschäftsführender GmbH-Minderheitsgesellschafter
Gesetze:

§ 1 KSchG

GZ 2 Ob 169/11h, 24.04.2012

 

OGH: Der Gesellschafter als Verbraucher:

 

Grundsätzlich ist ein Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für Schulden der GmbH übernimmt, mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher nach dem KSchG anzusehen. Dies gilt auch für einen Minderheitsgesellschafter, dessen Gesellschaftsbeteiligung eine bloße Finanzinvestition ist und der (daher) keinen relevanten Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübt, zumal die bloße Anlage von Kapital noch nicht als unternehmerisches Handeln angesehen werden kann.

 

In der Entscheidung 7 Ob 266/06b wurde mangels Geschäftsführungsbefugnis auch bezüglich des bürgenden Mehrheitsgesellschafters und Prokuristen der Kreditnehmerin die Unternehmereigenschaft verneint. Gerade die Geschäftsführungstätigkeit komme dem in § 1 Abs 2 KSchG genannten Merkmal des Unternehmerbegriffs (selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit) sehr nahe.

 

Der Gesellschafter als Unternehmer:

 

Nach der Rsp stellt die Kreditaufnahme eines geschäftsführenden Alleingesellschafters zu unternehmerischen Zwecken für ihn als Kreditnehmer kein Verbrauchergeschäft dar. Die Entscheidung 6 Ob 12/03p nahm dies - iZm Art 13 EuGVÜ - auch für bürgende geschäftsführende Mitgesellschafter einer kreditnehmenden Gesellschaft an.

 

Der jüngst ergangenen Entscheidung 6 Ob 105/10z lag zugrunde, dass die Beklagten einem Franchisevertrag, der zwischen der Klägerin und der GmbH in Gründung abgeschlossen wurde, persönlich beigetreten waren. Beide Beklagten waren jeweils selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der GmbH, der Zweitbeklagte war 50%iger Gesellschafter dieser GmbH. Der Erstbeklagte war auch geschäftsführender Alleingesellschafter einer weiteren GmbH, die zu ebenfalls 50 % als Gesellschafterin an der in den Franchisevertrag eingebundenen GmbH beteiligt war. Der 6. Senat gelangte zum Ergebnis, dass beide Beklagten unter Berücksichtigung der Beteiligungsverhältnisse und der Geschäftsführungsbefugnis ein maßgebendes wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgten und jeweils für sich einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen der Franchisenehmerin ausüben konnten. Angesichts dessen seien sie in Wahrheit mit Alleingesellschaftern vergleichbar. Mangels Erreichbarkeit einer einfachen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung komme die Erteilung einer Weisung durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht in Betracht, sodass im Ergebnis aus praktischer Sicht beiden Beklagten unternehmerische Alleinentscheidungsbefugnis zukomme. In der Entscheidung wurde - unter Bezugnahme auf 6 Ob 12/03p - auch die Meinung vertreten, dass § 1 KSchG ein einheitlicher Verbraucherbegriff zugrunde liege und eine unterschiedliche Auslegung desselben, je nachdem ob eine Bestimmung der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben diene oder nicht, nicht sachgerecht erscheine.

 

Die Entscheidung 1 Ob 99/10f erachtete den als Bürgen in Anspruch genommenen Minderheitsgesellschafter (25 %) und Alleingeschäftsführer der kreditnehmenden Gesellschaft als Unternehmer, weil seine Gattin 75 % der Geschäftsanteile nur aus steuerlichen Gründen halte und er wirtschaftlich betrachtet in Wahrheit alleine unternehmerisch tätig werde.

 

In der Lehre werden unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Kriterien vertreten, unter denen die Qualifikation als „wirtschaftlicher Unternehmer“ anzunehmen sei.

 

Der Senat hält es für die Unternehmerqualifikation eines (hier geschäftsführenden) GmbH-Gesellschafters für erforderlich, dass dieser die Mehrheit der Geschäftsanteile oder zumindest 50 % hievon hält. Eine geringere Beteiligung (ohne gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität) verschafft dem Gesellschafter typischerweise keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung. Die Ansätze Karollus und Heidingers, Gesellschafter schon bei einem Geschäftsanteil von 20 bzw 25 % als Unternehmer iSd KSchG zu qualifizieren, vermögen nicht zu überzeugen. Weder die Rechnungslegungsbestimmung des § 228 UGB noch § 5 EKEG sind ausreichend einschlägig.

 

Für das Vorliegen einer Unternehmerstellung verlangt § 1 Abs 2 KSchG eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit. Ob dafür auch die Geschäftsführer-Stellung erforderlich ist, kann hier dahingestellt bleiben.

 

Die Anwendung der obigen Grundsätze führen im vorliegenden Fall dazu, den Beklagten als Verbraucher iSd KSchG zu qualifizieren. Er erreicht weder mit seiner (durchgerechneten) Anteilsquote von 32,5 % noch mit seinen gesellschaftsvertraglichen Einflussmöglichkeiten einen beherrschenden Einfluss in der kreditnehmenden Gesellschaft.