09.07.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Konkurrenzklausel gem § 36 AngG – Berücksichtigung von Provisionen bei der Berechnung der Entgeltgrenze?

Der Auffassung, unter „Entgelt“ in § 36 Abs 2 AngG sei nur das „Grundgehalt“ zu verstehen, kann nicht gefolgt werden


Schlagworte: Angestelltenrecht, Konkurrenzklausel, Entgeltgrenze, Berücksichtigung von Provisionen
Gesetze:

§ 36 AngG, § 45 ASVG

GZ 9 ObA 159/11i, 29.05.2012

 

OGH: Eine Vereinbarung, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird (Konkurrenzklausel), ist nach § 36 Abs 2 AngG unwirksam, wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses getroffen wird, bei dem das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt das Siebzehnfache der (täglichen) Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nicht übersteigt. Der Revisionswerber steht auf dem Standpunkt, dass die von ihm als Angestellter bei der Klägerin bezogenen Provisionen bei der Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG nicht zu berücksichtigen seien. Maßgeblich sei nur das Grundgehalt (Fixum), das in seinem Fall das Siebzehnfache der (täglichen) Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nicht überstiegen habe. Die im Arbeitsvertrag mit der Beklagten vom 8. 9. 2009 vereinbarte Konkurrenzklausel sei daher unwirksam.

 

Der OGH hat sich bereits in seiner Vorjudikatur mit der mit AngG-Novelle BGBl I 2006/35 in § 36 Abs 2 AngG eingeführten „Entgeltgrenze“ auseinandergesetzt. Dabei wurde die Überzeugung gewonnen, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er iZm der Ermittlung der Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG von dem „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelt“ ausgeht, das wortgleich die Basis für die Ermittlung der Abfertigung nach § 23 Abs 1 AngG darstellt, hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat, dass diese identen Begriffe in den unterschiedlichen Gesetzesstellen desselben Gesetzes auch ident zu verstehen sind. Eine systematische Auslegung kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass im selben Gesetz bereits an anderer Stelle dieselbe Wortfolge verwendet wurde. Die Anknüpfung an § 45 ASVG soll lediglich gewährleisten, dass die maßgebende Entgeltgrenze an eine wertangepasste Determinante gebunden ist.

 

Das Berufungsgericht hielt sich daher bei Ermittlung des für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts des Beklagten zu Recht an die von der Lehre gebilligte stRsp zu § 23 Abs 1 AngG. Danach entspricht es der hA, dass das nach § 23 Abs 1 AngG die Basis der Berechnung des Abfertigungsanspruchs darstellende, für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt jede Leistung umfasst, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür bekommt, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Schwankt die Höhe des Entgelts innerhalb des letzten Jahres vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist der Durchschnittsverdienst als Bemessungsgrundlage der Abfertigung zu Grunde zu legen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Schwankungen durch variable Prämien, Zulagen, Sonderzahlungen, Überstundenentgelte oder - wie im vorliegenden Fall - durch Provisionen bewirkt werden. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach „das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt“ auch die im Durchschnitt vom Beklagten bei der Klägerin bezogene Provision umfasst, ist daher nicht zu beanstanden. Sie entspricht der Rsp zu § 23 AngG, deren Anwendung auf § 36 Abs 2 AngG vom OGH gebilligt wird.

 

Die Überlegung des Revisionswerbers, dass der Entgeltbegriff des § 36 Abs 2 AngG in seiner arbeitnehmerfreundlichen Schutzfunktion teleologisch dahin auszulegen sei, dass ausschließlich das „Grundgehalt“ maßgeblich sei, überzeugt nicht. Die angesprochene „arbeitnehmerfreundliche Schutzfunktion“ manifestiert sich bereits darin, dass der Gesetzgeber die Konkurrenzklausel nicht unbeschränkt zuließ, sondern einer Entgeltgrenze unterwarf. Damit war klar, dass es in Zukunft über und unter der Entgeltgrenze liegende Fälle geben wird. Bei der betraglichen Ermittlung der Entgeltgrenze ist der Schutzgedanke nicht hilfreich, weil es gerade um die Frage geht, wie weit dieser Schutz im Einzelfall aufgrund der einzelnen arbeitsrechtlichen Bestimmung geht. Der Begriff „Grundgehalt“ wird im AngG nicht verwendet, ist aber dem österreichischen Recht nicht fremd. So wird etwa im AVRAG, das mit Novelle BGBl I 2006/36 in § 2c Abs 2 AVRAG für die Konkurrenzklausel ebenfalls eine Entgeltgrenze einführte, zwischen dem „Grundgehalt“ und „weiteren Entgeltbestandteilen“ (§ 2 Abs 2 Z 9 AVRAG) einerseits und dem - für die Entgeltgrenze maßgebenden - „für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührenden Entgelt“ (§ 2c Abs 2 AVRAG) andererseits unterschieden. Die vom Revisionswerber angestrebte Gleichstellung von „Grundgehalt“ und „Entgelt“ scheidet damit für das AVRAG aus. Es ist vielmehr der arbeitsrechtliche weite Entgeltbegriff zu Grunde zu legen. Ein Grund, bei gleichem Regelungswortlaut die Entgeltgrenzen des AngG und des AVRAG unterschiedlich zu ermitteln, ist nicht zu erkennen. Dass Konkurrenzklauseln und Abfertigungen unterschiedliche Ziele verfolgen, wird vom OGH nicht verkannt. Ein zureichender Grund, den bei beiden Regelungen verwendeten Begriff des „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts“ unterschiedlich zu verstehen, ist dies jedoch nicht. Gerade im Bereich, wo Provisionen eine Rolle spielen, sind Kundenkontakte und Kundenstamm meist besonders bedeutsam und Konkurrenzklauseln daher ein nachvollziehbares Anliegen der Arbeitgeber.

 

Die vom Revisionswerber gehegte Befürchtung, dass die Berücksichtigung von Provisionen bei der Ermittlung der Entgeltgrenze zu „ganz zufälligen Ergebnissen“ führe, ist unbegründet. Dass beim Regelungskonzept des § 36 Abs 2 AngG in der Regel erst bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststeht, ob die seinerzeit im Arbeitsvertrag vereinbarte Konkurrenzklausel wirksam ist, ist nicht zu vermeiden. Im Übrigen sorgt aber gerade die oben genannte Durchschnittsbetrachtung dafür, dass es eben nicht auf die vom Revisionswerber befürchteten monatlichen Schwankungen der Provisionen ankommt, sodass der „Zufall“ einer besonders hohen, für das Überschreiten der Entgeltgrenze verantwortlichen Provision für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses ausreichend entschärft erscheint.

 

Auch die Befürchtung des Revisionswerbers bezüglich der „leichten Manipulierbarkeit“ der Entgeltgrenze erscheint übertrieben. Dass im Fall eines Entgelts nahe der Entgeltgrenze Manipulationen (beider Parteien) nicht völlig ausgeschlossen werden können, um über die Entgeltgrenze zu kommen oder unter der Entgeltgrenze zu bleiben, mag durchaus sein. Dies gilt aber in modifizierter Form auch für das dem Revisionswerber vorschwebende Abstellen auf das Grundgehalt. Gerade im Fall des Beklagten hat sich die Befürchtung eines „leistungsfeindlichen Regimes“ nicht verwirklicht, lag doch bei ihm das Entgelt (Grundgehalt zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen zuzüglich durchschnittlicher Provision) über der Entgeltgrenze.