13.08.2012 Zivilrecht

OGH: Auf zwei Jahre befristete Thermengutscheine?

Grundsätzlich endet das Recht, mit einem Gutschein aus dem Warensortiment des Ausstellers Waren zu beziehen, innerhalb von 30 Jahren; Verfallsklauseln sind dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren; je kürzer die Verfallsfrist sein soll, desto triftiger muss der Rechtfertigungsgrund sein; jedenfalls ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Gutschein, Verfall, Verjährung
Gesetze:

KSchG, § 879 ABGB, § 1491 ABGB

GZ 7 Ob 22/12d, 28.06.2012

 

Die Beklagte vertreibt über ihre Website sog „Thermengutscheine“ á 10 EUR zu fünf oder zehn Stück. Sie verwendet dabei AGB, die zumindest bis November 2010 auch die im Spruch ersichtlichen Klauseln enthielten.

 

OGH: Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in AGB, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt, und/oder in hierbei verwendeten Vertragsformblättern iZm von ihr ausgegebenen Gutscheinen die Verwendung der Klausel

 

„6) Gültigkeit

 

a) GUTSCHEINHEFTE

 

Die im Gutscheinheft befindlichen Wertgutscheine sind nur in Verbindung mit dem Gutscheinheft gültig und müssen vom Partnerbetrieb aus dem Gutscheinheft herausgelöst werden. Bereits abgetrennte Wertgutscheine sind ungültig. Jedes Gutscheinheft ist mit einem Datum, bis zu dem die einzelnen Wertgutscheine gültig sind, versehen (seit Oktober 2008: 2 Jahre ab Zustellung)“

 

sowie der Klausel

 

„a) TICKETS

 

Jedes Ticket ist mit einem Ausstellungsdatum versehen und ist 2 Jahre ab Ausstellungsdatum gültig (Ausstellungsdatum plus 2 Jahre = Gültigkeitsdatum).

 

Nach Erreichen des Gültigkeitsdatums verlieren die Thermengutscheine ihre Gültigkeit und können nicht mehr eingelöst werden“

 

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen.

 

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Grundsätzlich endet das Recht, mit einem Gutschein aus dem Warensortiment des Ausstellers Waren zu beziehen, innerhalb von 30 Jahren. Die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Verjährungsfrist wird in stRsp zwar für zulässig erachtet. Uneingeschränkt zulässig soll aber die Fristverkürzung nur dann sein, wenn sie zwischen zumindest annähernd gleich starken Vertragspartnern individuell vereinbart wurde. Verfallsklauseln sind dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren. Je kürzer die Verfallsfrist sein soll, desto triftiger muss der Rechtfertigungsgrund sein. Jedenfalls ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Im Arbeitsrecht wird in stRsp zu kollektiv- und auch einzelvertraglichen arbeitsrechtlichen Ansprüchen ausgesprochen, dass eine vereinbarte Verfallsfrist in der Dauer von drei Monaten als übliche Frist und damit nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen sei und Verfallsklauseln den Zweck haben, dem Beweisnotstand zu begegnen, in welchem sich der Arbeitgeber bei späterer Geltendmachung befinden würde.

 

Nach LuRsp ist generell darauf abzustellen, ob die Verkürzung zu einer weitgehenden Verhinderung oder erheblichen Behinderung der Durchsetzung berechtigter Ansprüche führt, was immer dann der Fall ist, wenn die Zeit zur Prüfung der Sach- und Rechtslage unangemessen verkürzt wird oder wenn die verbleibende Frist die Zeit nicht abdeckt, in der Mängel gewöhnlicherweise auftreten. Zu berücksichtigen ist, welche Zeit üblicherweise erforderlich ist, um bestimmte Ansprüche geltend machen zu können. Benachteiligungen eines Vertragspartners können durch ein besonderes Interesse der Verwenderseite an einer Verkürzung aufgewogen werden, etwa wenn die Zeit zur Entdeckung der Mängel beim entsprechenden Vertragstyp generell nicht erforderlich ist.

 

Das Argument der Vorinstanzen, es liege hier gar kein Fall einer „verdünnten Willensfreiheit“ vor, weil der Verbraucher die Gutscheine nicht erwerben müsse, geht von der dargelegten Judikatur ab. Die typischerweise anzutreffende Ungleichgewichtslage ergibt sich daraus, dass die Beklagte als Unternehmerin AGB verwendet und diese jedem Vertrag zugrunde legt, ohne dass ihr Vertragspartner typischerweise Gestaltungsmöglichkeiten hat.

 

Bei der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung ist Folgendes zu bedenken:

 

Die Leistung der Beklagten besteht darin, dass sie mit sog Partnerbetrieben Verträge abschließt, in denen sich diese bereit erklären, gegen Ausfolgung von Gutscheinen, die die Beklagte auf einen bestimmten vom Erwerber bezahlten Geldbetrag ausstellt, bestimmte Leistungen (hier iZm Thermalbesuchen) an den Inhaber zu erbringen. Der Inhaber hat die Wahl, bei welchem der im Zeitpunkt der Abrufung vorhandenen Partnerbetriebe er den Gutschein für welche Leistung einlösen will. Die Beklagte verpflichtet sich also mit dem Gutschein nicht, die dem Gutscheininhaber zukommende Leistung iZm Thermalbesuchen selbst zu erbringen, sie bietet nur die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von Partnerbetrieben und Leistungen zu wählen. Einen anderen Vorteil bietet der Gutschein nicht. Die geschuldete Leistung der Beklagten ist also nicht mit der Ausstellung des Gutscheins erbracht, sondern beinhaltet auch die Verpflichtungen des Bereitstellens von Wahlmöglichkeiten zur Realisierung einer Gegenleistung im Wert der Höhe der erworbenen Gutscheine und der Verwaltung eines Verzeichnisses der Partnerbetriebe. Die Beklagte erbringt ihre vertragliche Leistung auch, wenn kein Vertrag zwischen Partnerbetrieb und Gutscheininhaber zustande kommt. Es handelt sich hier um einen Vertrag sui generis. Die Beklagte bietet aber nicht nur ihre Dienste beschränkt auf zwei Jahre gegen Entgelt an, sondern erklärt die Gutscheine selbst, also die Möglichkeit der Abrufung gegenüber den Partnerbetrieben, nach Ablauf von zwei Jahren für „ungültig“ oder „verjährt“, was bedeutet, dass der Geldbetrag vom Erwerber in diesem Fall ohne durchsetzbare Gegenleistung hingegeben wurde.

 

Zu bedenken ist nun, dass der Beklagten der dem Gutschein entsprechende Geldbetrag vom Erwerber sofort übergeben wird, während sie an ein konkretes Partnerunternehmen naturgemäß erst zahlen kann, wenn sie weiß, bei welchem die Leistung abgerufen, dh der Gutschein eingelöst, wurde. Die Beklagte muss keine Kapitalreserven bereitstellen, weil sie die verbrieften Leistungen iZm Thermenbesuchen nicht selbst erbringt. Dass für die Partnerbetriebe finanzielle Vorsorge getroffen werden müsste, wurde nicht vorgebracht. Für die Partnerbetriebe ist es von vornherein nicht absehbar, ob bei ihnen Gutscheine eingelöst werden. Die Situation ist für sie nicht anders als bei Durchführung von Werbemaßnahmen. Es besteht nur die Möglichkeit, den Umsatz zu steigern. Das Entgelt der Beklagten selbst für ihre Leistungen ist aus dem Gutschein nicht ersichtlich und ergibt sich offenbar im Fall einer Einlösung von Gutscheinen aus der Verrechnung mit dem Partnerbetrieb. Ihr Entgelt ist damit auch bei einer längeren als zweijährigen Einlösefrist gesichert.

 

Bei der Frage der Fälschungssicherheit und Beweisbarkeit der Echtheit der Gutscheine ist zu bedenken, dass die Beklagte nicht etwa ein Massenverkehrsunternehmen ist (vgl 7 Ob 75/11x - ÖBB-Gutscheine mit nicht vergleichbaren Verfallsklauseln). Die Fälschungsgefahr ist naturgemäß bei einem Gutschein, der einen eingeschränkten Geschäftsbereich, hier den Wellnessbereich, bedient, wesentlich geringer als bei einem in ganz Österreich tätigen Massenverkehrsunternehmen. Eine allfällige Fälschungs-/Beweisgefahr rechtfertigt jedenfalls nicht eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre.

 

Soweit die Beklagte einwendet, sie schließe selber mit ihren Partnerunternehmen nur einjährige Verträge, es müsse ihr möglich sein, ihren Betrieb (jederzeit) einzustellen, ist ihr zu erwidern, dass es ihr freisteht, entsprechend andere vertragliche Dispositionen zu treffen oder etwa durch das Vorsehen einer Rückzahlungsmöglichkeit eine Benachteiligung des Gutscheininhabers zu verhindern.

 

Der vom Erwerber bezahlte Geldbetrag deckt das Entgelt für die verbriefte Leistung und die Tätigkeit der Beklagten ab. Wird nun die Leistung des Partnerbetriebs innerhalb von zwei Jahren nicht abgerufen, so kommt der Beklagten bereits am der Verfallsfrist folgenden Tag der Gesamtbetrag zugute. Sie ist um das Entgelt für die verbriefte Leistung (des Partnerbetriebs) bereichert, ohne dass es dafür einen sachlich gerechtfertigten Grund gibt. Durch die in den Klauseln vorgesehene Verfallsfrist tritt eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners ein.

 

Demgegenüber bestehen durchaus berechtigte Interessen des Gutscheinerwerbers, dass der Gutschein länger als während zweier Jahre eingelöst werden kann. Das Argument, der Gutschein werde ohnedies verschenkt und damit der Erwerber nicht verkürzt, ist nicht überzeugend. Der Vertragswille beider Parteien ist ja nicht auf den Erwerb eines Gutscheins, also eines bloßen Papiers, gerichtet, sondern darauf, dass der Beschenkte oder jedenfalls der Inhaber des Gutscheins die Leistungen bei den Partnerbetrieben der Beklagten konsumieren kann, also eine geldwerte Gegenleistung erhält. Es kann eine Vielzahl von (auch unbeeinflussbaren) Gründen auf Seiten des Gutscheininhabers geben, die ihn daran hindern, die Gutscheine innerhalb von zwei Jahren einzulösen.

 

Da die Benachteiligung des Gutscheininhabers nicht durch ein besonderes Interesse der Beklagten aufgewogen wird, sind die beiden Klauseln nichtig.