27.08.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Lauterkeitswidrige Exekutionsführung?

Ein Verbot von Prozessbehauptungen und Aussagen wird für zulässig erachtet, soweit es sich um vorsätzlich falsche Anschuldigungen handelt; Gleiches muss auch für die Frage gelten, ob bestimmte Exekutionsmaßnahmen als unlauter nach § 1 UWG beurteilt und im selbständigen Verfahren (einstweilen) untersagt werden können


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, unlautere Geschäftspraktiken, Rechtsmissbrauch, Exekutionsführung
Gesetze:

§ 1 UWG, § 1295 Abs 2 ABGB

GZ 4 Ob 91/12d, 02.08.2012

 

OGH: Wer von einem Urteil Gebrauch macht, übt nur ein ihm zustehendes Recht aus. Es kann daher aus der Exekutionsführung aufgrund eines rechtskräftigen Urteils nur soweit ein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden als ein Verstoß gegen das Schikaneverbot oder Arglist vorliegt. Der erkennende Senat sprach daher bereits aus, dass auch Anträge auf exekutive Durchsetzung eines rechtskräftigen Unterlassungstitels für sich allein keinen Rechtsmissbrauch bilden.

 

Maßnahmen, die ihrer Natur nach allein der Behinderung des Mitbewerbers dienen, sind regelmäßig wettbewerbswidrig; typische Mittel des Leistungswettbewerbs sind dagegen grundsätzlich erlaubt und nur bei Hinzutreten besonderer Umstände, die den Leistungswettbewerb zum Behinderungswettbewerb machen, unlauter. Ob eine bestimmte Maßnahme iS dieser Grundsätze noch im Rahmen des Zulässigen liegt oder in Wahrheit bereits eine auf Ausschaltung anderer Mitbewerber vom Wettbewerb zielende Behinderung ist, muss nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden; eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern entspricht auch nach dem neuen Lauterkeitsrecht keinesfalls den anständigen Marktgepflogenheiten, die nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG den Standard der beruflichen Sorgfalt konkretisieren. Eine sittenwidrige Wettbewerbsbehinderung hat nicht zur Voraussetzung, dass die Behinderungsabsicht der einzige Beweggrund des Anmelders ist; vielmehr genügt es, wenn es sich um ein wesentliches Motiv handelt. Der erkennende Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, dass auch die Ausübung eines Rechts einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG begründen kann, weil und wenn insoweit eine sittenwidrige Behinderung vorliegt (zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung: 4 Ob 184/06x; 4 Ob 133/07y; 17 Ob 23/09w; zum Erwerb eines Kennzeichenrechts: 4 Ob 310/98m; 4 Ob 128/01d; 17 Ob 17/09p; zum Domaingrabbing: RIS-Justiz RS0115379; RS0115380; zur Urteilsveröffentlichung: 4 Ob 323/74; 4 Ob 319/76).

 

Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung sind auf Behinderungswettbewerb gestützte lauterkeitsrechtliche Ansprüche daher zu prüfen, selbst wenn man auf schikanöse Rechtsausübung nach § 1295 Abs 2 ABGB begründeten Unterlassungsansprüchen wegen der Möglichkeit, diesen Umstand als Oppositionsgrund geltend zu machen, ein Rechtsschutzbedürfnis aberkennt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Einbringung einer Oppositionsklage lediglich einen Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 5 EO bildet und daher keinen adäquaten Rechtsschutz für die von der Klägerin behaupteten unwiederbringlichen Schäden infolge Behinderung ihres Wettbewerbs schon während des Verfahrens über die Zulässigkeit der Exekutionsführung bietet.

 

Die von der Beklagten zur Stützung ihres Standpunkts, die Klägerin strebe einen unzulässigen Eingriff in das von der Beklagten erwirkte Exekutionsverfahren ein, zitierte Entscheidung 4 Ob 244/05v befasste sich mit (verfassungswidrigen) Eingriffen in Verwaltungsverfahren, daraus ist für das hier zu lösende Problem nichts zu gewinnen.

 

Mit dem Verbot der Rechtsverfolgung in einem Verfahren hat sich die Rsp bisher insoweit befasst, als es um die Frage ging, ob Prozessbehauptungen und Aussagen in (Gerichts-)Verfahren untersagt werden können. Ein Verbot von Prozessbehauptungen und Aussagen wird für zulässig erachtet, soweit es sich um vorsätzlich falsche Anschuldigungen handelt. Gleiches muss auch für die Frage gelten, ob bestimmte Exekutionsmaßnahmen als unlauter nach § 1 UWG beurteilt und im selbständigen Verfahren (einstweilen) untersagt werden können.

 

Die Klägerin behauptet die wissentlich rechtswidrige Exekutionsführung durch die Beklagte. Zur Bescheinigung hat sie sich auf zahlreiche Urkunden gestützt, die die Vorgangsweise der Beklagten dokumentieren sollen oder aus denen Schlüsse iSd klägerischen Vorbringens gezogen werden könnten. Feststellungen hiezu fehlen allerdings. Es lässt sich derzeit auch nicht beurteilen, aufgrund welcher Überlegungen die Parteien seinerzeit zunächst außergerichtlich den später gerichtlich protokollierten Vergleich vereinbarten, insbesondere ob dem Vergleichsschluss eine gemeinsame oder eine durchaus unterschiedliche Beurteilung der Rechtslage zu Grunde lag. Von welcher Vergleichsgrundlage die Parteien bei Abschluss des den Exekutionstitel bildenden Vergleichs ausgegangen sind, ergibt sich aus dem Exekutionstitel selbst nicht. Da für den Exekutionstitel - wie oben dargelegt - jedenfalls ein Geltungsbereich verbleibt, begründet die Einbringung der Strafanträge durch die Beklagte - trotz eigener Veranstaltung von Gewinnspielen - nicht die Vermutung rechtsmissbräuchlicher Wettbewerbsbehinderung, sodass es bei der Beweispflicht der Klägerin hiefür bleibt.

 

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung würde die von der Klägerin beantragte einstweilige Verfügung keinen unzulässigen vorgreifenden Eingriff bilden, weil im Fall ihrer Aufhebung und dem Scheitern des klägerischen Unterlassungsanspruchs die Geltendmachung sämtlicher Titelverstöße - wenn auch nicht in Form täglich neuer Strafanträge - erhalten bliebe.