10.09.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, ob der Anspruch auf Kündigungsentschädigung zusteht, wenn eine Wiedereinstellungszusage vom Arbeitgeber nicht eingehalten wird

Eine Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers nach echter Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses führt zu einer Option des Arbeitnehmers zur Begründung eines neuen Dienstverhältnisses (grundsätzlich) zu den vorherigen Bedingungen; macht der Arbeitnehmer von seinem Optionsrecht Gebrauch, so wird das Arbeitsverhältnis wieder begründet


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Kündigungsentschädigung, Nichteinhaltung der Wiedereinstellungszusage vom Arbeitgeber, Optionsrecht
Gesetze:

§ 1162b ABGB, § 29 AngG

GZ 8 ObA 27/12x, 30.05.2012

 

OGH: Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass nach dem Parteiwillen das alte Arbeitsverhältnis durch einvernehmliche Auflösung beendet wurde und eine echte Unterbrechung vorlag. Einvernehmen besteht auch darüber, dass die Beklagte eine einseitige Wiedereinstellungszusage abgegeben hat.

 

Aufgrund der echten Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Verein mit einer Wiedereinstellungszusage ist der Anwendungsbereich der Ansprüche nach § 9 Abs 5 AlVG eröffnet. Diese Bestimmung ist auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen der Arbeitgeber die zugesagte Wiedereinstellung ablehnt. Nach dieser Anspruchsgrundlage stehen dem Arbeitnehmer (nur) die beendigungsabhängigen Ansprüche aus dem alten Arbeitsverhältnis zu.

 

Um solche beendigungsabhängigen Ansprüche geht es im Anlassfall nicht. Vielmehr leitet der Kläger seinen Schadenersatzanspruch unmittelbar aus der Nichteinhaltung der Wiedereinstellungszusage durch die Beklagte ab und berechnet seine Ansprüche aus dem Titel der Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 15. 9. 2010 bis 30. 11. 2010.

 

Richtig ist, dass durch eine bloß einseitige Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers eine Bindung des Arbeitnehmers in der Regel nicht eintritt. Es bleibt vielmehr grundsätzlich der privatautonomen Entscheidung des Arbeitnehmers vorbehalten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dessen Anbot auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses anzunehmen oder nicht.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten bedeutet dies aber keineswegs, dass die einseitige Zusage auch für den Arbeitgeber unverbindlich ist. Vielmehr ist es für eine einseitige Verpflichtungserklärung - in Form eines einseitigen Rechtsgeschäfts oder eines einseitig verbindlichen Vertrags - gerade charakteristisch, dass nur eine Seite, nämlich der Erklärende, gebunden ist.

 

Rebhahn führt zu den Einstellungszusagen aus, dass es sich dabei in der Regel nicht nur um einen Vorvertrag, sondern schon um den Hauptvertrag oder doch um ein verbindliches Angebot dazu mit uU langer Bindungsfrist handle. Bei Wiedereinstellungszusagen im Speziellen handle es sich wohl um einen Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt, also um einen aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag. Der Arbeitnehmer sei nur bei einer vertraglichen Abrede der (Wieder-)Einstellung auch zur Arbeit verpflichtet. Rebhahn verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen 8 ObS 6/05y und 9 ObA 93/00t.

 

In der Entscheidung 8 ObS 6/05y wurde dazu die Glosse von Jöst zu 9 ObA 93/00t (ZAS 2001/10, 82) referiert, wonach es sich bei einer Wiedereinstellungszusage, von der der Arbeitnehmer Gebrauch machen könne oder nicht, um einen Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt, anders ausgedrückt um einen aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag, handle. Sehe man in einer Wiedereinstellungszusage einen solchen aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag, so könne § 3 Abs 1 AVRAG unmittelbar angewendet werden. Dass es dem Arbeitnehmer vorbehalten sei, den Arbeitsvertrag durch einseitige Gestaltung in Geltung zu setzen, schade nicht. Entscheidend könne nur sein, dass der Arbeitgeber zur Einstellung des Arbeitnehmers verpflichtet sei. In dieser Entscheidung wurde die Ansicht von Jöst als „durchaus überlegenswert“ bezeichnet. Die Frage der Rechtsnatur der Wiedereinstellungszusage blieb allerdings offen.

 

In der Entscheidung 9 ObA 62/11z wurde zur dargestellten Ansicht von Jöst ausgeführt, dass diese nur die Frage der Bindung des Arbeitgebers, beispielsweise im Fall eines Betriebsübergangs, betreffe. Für eine Bindung des Arbeitnehmers durch eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers sei hier kein Anwendungsbereich. Der Arbeitnehmer sei nur bei einer vertraglichen Abrede der (Wieder-)Einstellung auch zur Arbeit verpflichtet. Solange der Arbeitnehmer die aufgrund der Wiedereinstellungszusage eingeräumte Option nicht angenommen habe, sei er auch nicht verpflichtet. Zudem wurde in dieser Entscheidung die Wiedereinstellungszusage als Anbot des Arbeitgebers auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses qualifiziert.

 

In der Entscheidung 9 ObA 216/97y wurde im Hinblick auf eine Wiedereinstellungszusage ebenfalls auf eine Option Bezug genommen. Mache ein Arbeitnehmer von der ihm durch eine Wiedereinstellungszusage eingeräumten Option auf den Abschluss eines neuen Dienstvertrags nicht Gebrauch, so gehe er aufgrund der Bestimmung des § 9 Abs 7 (jetzt Abs 5) AlVG wohl seiner aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entspringenden Ansprüche nicht verlustig, doch sollten nur jene Ansprüche gewahrt bleiben, die zur Zeit der Beendigung des alten Dienstverhältnisses bereits bestanden hätten.

 

Nach der Entscheidung 9 ObA 2122/96s ist eine Wiedereinstellungszusage die einseitige Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer, so dieser dies wünscht, zum angegebenen Zeitpunkt wieder zu beschäftigen.

 

Zur Rechtsnatur der Wiedereinstellungszusage folgt aus den referierten Entscheidungen, dass dem Arbeitnehmer das Recht zukommt, nach erfolgter Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses zu einem zukünftigen Zeitpunkt ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Dementsprechend wird die Wiedereinstellungszusage als Anbot des Arbeitgebers auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses qualifiziert. Zudem wird das Recht des Arbeitnehmers ausdrücklich als Option bezeichnet.

 

Diese Bezeichnung erfolgt zu Recht. Bei einer Option handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, durch das eine Partei das (einseitige Gestaltungs-)Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Anders als der Vorvertrag gibt sie nicht bloß ein Recht auf Abschluss eines Hauptvertrags. Vielmehr begründet ihre Ausübung schon unmittelbar die vertraglichen Pflichten. Die Stellung des Optionsberechtigten entspricht hinsichtlich des Hauptvertrags jener eines Offertempfängers. Auch ein solcher hat ein rechtsbegründendes Gestaltungsrecht, weil es von seinem einseitigen Willensentschluss abhängt, ob der (Haupt-)Vertrag zustande kommt oder nicht.

 

Entgegen der Ansicht von Jöst kann aus der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einstellung noch nicht das bereits erfolgte Zustandekommen eines Vertrags abgeleitet werden. Soweit Jöst auf das einseitige Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers hinweist, nimmt er selbst auf ein Optionsrecht Bezug. Entscheidend ist, dass die Wiedereinstellungszusage mit einer echten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang steht. Nach dem Parteiwillen wurde das alte Arbeitsverhältnis ohne Aufrechterhaltung eines vertraglichen Bandes, anders also als etwa bei einer Karenzierung, beendet. Dieser Umstand spricht deutlich gegen die Annahme eines bereits zustande gekommenen Arbeitsvertrags, selbst wenn dieser nur als aufschiebend bedingt betrachtet werden sollte.

 

Der erkennende Senat gelangt somit zum Ergebnis, dass eine Wiedereinstellungszusage aus Anlass einer echten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses die Option des Arbeitnehmers zur Begründung eines neuen Arbeitsvertrags, und zwar grundsätzlich zu den vorherigen Bedingungen, entstehen lässt.

 

Ein Optionsrecht begründet die Bindung des Optionsgebers. Ansprüche gegen diesen sind je nach dem denkbar, ob die Option vom Berechtigten ausgeübt wurde oder nicht. Im letzteren Fall kommt es auf die Umstände an, die zur Nichtausübung geführt haben (vgl 6 Ob 538/85: unrichtige Informationen durch den Optionsgeber).

 

Im Anlassfall hat der Kläger am Wiedereinstellungstag seinen Willen bekundet, bei der Beklagten wieder arbeiten zu wollen. Damit hat er seine Option ausgeübt. Der Antritt der Arbeit wurde ihm aber verweigert; gleichzeitig wurde ihm die Zusendung des Arbeitszeugnisses per Post zugesichert. Damit wurde das durch Ausübung des dem Kläger eingeräumten Optionsrechts wiederbegründete Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber mit sofortiger Wirkung aufgelöst.

 

Die Frage nach einem Rücktritt vom Vertrag vor Arbeitsantritt - mangels Analogiefähigkeit der §§ 30 und 31 AngG - nach § 918 ABGB stellt sich damit nicht.

 

Im Ergebnis besteht der geltend gemachte Anspruch auf Kündigungsentschädigung iSd § 1162b ABGB somit zu Recht.