24.09.2012 Zivilrecht

OGH: § 140 ABGB – zur Frage, ob die Kosten einer Drittbetreuung, die durch Krankheit des betreuenden Elternteils notwendig wurde, einen Sonderbedarf des Kindes begründen kann

Bei außerhäuslicher Betreuung auf Grund der Krankheit des betreuenden Elternteils ist der Mehrbedarf nicht aus in der Person des Kindes gelegenen Gründen entstanden; im Übrigen würde die kurzfristige Fremdbetreuung der Minderjährigen auch nicht das Kriterium der Außergewöhnlichkeit erfüllen


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, Sonderbedarf, Krankheit des betreuenden Elternteils, außerhäusliche Betreuung
Gesetze:

§ 140 ABGB

GZ 2 Ob 106/12w, 07.08.2012

 

Die Rechtsmittelwerberin bringt vor, nur dann, wenn der betreuende Elternteil seine Betreuungspflichten im eigenen Interesse teilweise einer dritten Person übertrage, insbesondere weil er berufstätig sei, habe er diese Kosten zur Gänze selbst zu tragen. Hier sei die Mutter jedoch durch eine Erkrankung gezwungen gewesen, ihre Betreuungsaufgaben Dritten zu übertragen. Dies entspreche allein dem Interesse des Kindes und sei in seiner Person begründet. Die Betreuung des Kindes bilde einen Sonderbedarf, dessen Kosten vom Unterhaltspflichtigen zu tragen seien.

 

OGH: Nach der Rsp ist Sonderbedarf jener Bedarf, der dem unterhaltsberechtigten Kind infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Durchschnittsbedarfs bewusst außer Acht gelassenen Umstände erwächst. Es handelt sich um den Mehrbedarf, der über den allgemeinen Durchschnittsbedarf eines gleichaltrigen Kindes ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern hinausgeht, also um Kosten, die nicht mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfallen. Dieser Mehrbedarf ist nur deckungspflichtig, wenn er aus gerechtfertigten, in der Person des Kindes liegenden Gründen entstanden ist. Weiters muss der Bedarf den Kriterien der Individualität, Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit entsprechen. Darunter fallen hauptsächlich Aufwendungen für Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Eine generelle Aufzählung all dessen, was als Sonderbedarf anzuerkennen ist, ist kaum möglich. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

 

Bei den Kosten außerhäuslicher Betreuung ist zu unterscheiden: Dient die außerhäusliche Betreuung allein oder überwiegend der Entlastung des betreuenden Haushaltsführers (zB Tagesmutter, Krabbelstube, Kindergarten), dann fallen die Kosten dafür allein diesem zur Last. Liegt jedoch die außerhäusliche Betreuung allein oder überwiegend im Kindesinteresse (wegen „berücksichtigungswürdiger Gründe in der Person des Kindes“, die eine außerhäusliche Betreuung notwendig machen), etwa bei besonderer Pflegebedürftigkeit behinderter oder kranker Kinder, aus Gründen besonderer Ausbildungsmöglichkeiten, bei Teilnahme an ausländischen Sprachkursen oder sonstigen Fortbildungsveranstaltungen, so hat die Kosten grundsätzlich der nicht betreuende Elternteil zu tragen.

 

Im vorliegenden Fall ist der Mehrbedarf nicht aus in der Person des Kindes, sondern der Mutter gelegenen Gründen entstanden. Im Übrigen würde die kurzfristige Fremdbetreuung der Minderjährigen auch nicht das Kriterium der Außergewöhnlichkeit erfüllen.

 

Das Rekursgericht hat mit der Versagung der Zuerkennung der Sonderbedarfskosten für vorübergehende kurzfristige Fremdbetreuung der Minderjährigen seinen Ermessensspielraum nicht überschritten, sondern hält sich im Rahmen der Leitlinien der stRsp. Nicht jeder einzelne Grund der Entstehung von Sonderbedarf begründet schon eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 62 Abs 1 AußStrG.