22.10.2012 Zivilrecht

OGH: Umfang des Benützungsrechts gem § 8 MRG – Duldung der Verkleinerung der Wohnung aufgrund Lifteinbaus?

Bei einem Lifteinbau handelt es sich um eine Verbesserungsarbeit iSd § 8 Abs 2 Z 1 MRG; anders als bei Maßnahmen, die § 8 Abs 2 Z 2 MRG zu unterstellen sind, findet nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG eine „weitergehende“ (gemeint: über die im Rahmen der Prüfung der Einhaltung des Schonungsprinzips hinausgehende) Interessenabwägung nicht statt; lediglich dann, wenn eine für den Mieter schonendere und für den Vermieter nicht ungünstigere Alternative zur Erreichung desselben Zwecks zur Verfügung steht, macht es das in § 8 Abs 3 MRG normierte Schonungsprinzip erforderlich, dass der Vermieter diese schonendere Alternative ergreift


Schlagworte: Mietrecht, Umfang des Benützungsrechts, Lifteinbau, Verkleinerung der Wohnung, Duldung, Verbesserungsarbeiten, Schonungsprinzip
Gesetze:

§ 8 MRG

GZ 5 Ob 73/12i, 26.07.2012

 

OGH: Stellt das angestrebte Bauvorhaben eine Verbesserungsarbeit iSd § 8 Abs 2 Z 1 MRG dar, so hat der Mieter eine vorübergehende Benützung und (auch dauernde) Veränderung seines Mietgegenstands zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung der Verbesserungsarbeiten notwendig oder zweckmäßig ist.

 

Die Antragsgegner gehen davon aus, dass die Errichtung eines Personenlifts in Stiege II des Hauses nicht „notwendig oder zweckmäßig“ sei.

 

Dabei übersehen sie allerdings, dass eine Verbesserungsarbeit anstrebt, aus dem bestehenden Zustand einen besseren, vorteilhafteren, aus verschiedenen Gründen eher positiver bewerteten zu machen, auch wenn der gegenwärtige Zustand nicht mangelhaft erscheint. Dass es sich bei einem geplanten Lifteinbau um eine Verbesserungsarbeit iSd § 8 Abs 2 Z 1 MRG handelt, wurde in der Rsp bereits mehrfach bejaht.

 

Auch das Fehlen einer unmittelbaren gesetzlichen Verpflichtung zur Errichtung eines Lifts steht der Duldungspflicht des Mieters nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG nicht entgegen.

 

Entgegen der Auffassung der Antragsgegner bezieht sich der in § 8 Abs 2 Z 1 MRG verwendete Ausdruck „zweckmäßig“ schon bei grammatikalischer Betrachtung nicht auf die Verbesserungsarbeit als solche, sondern auf den Eingriff in Bezug auf die Durchführung solcher Arbeiten: Es kommt also auf die Prüfung an, ob der Eingriff im Hinblick auf die Zielsetzung der Arbeiten, insbesondere im Vergleich zu anderen Gestaltungsmöglichkeiten, notwendig oder zweckmäßig ist.

 

Daraus folgt zunächst, dass unabhängig davon, dass ein Anschluss der Dachgeschosswohnungen an den zu errichtenden Lift in Stiege II nicht vorgesehen ist und somit - was vom Antragsteller gar nicht bezweifelt wird - eine baubehördliche Notwendigkeit der Errichtung des Personenlifts in Stiege II nicht gegeben ist, die angestrebte Errichtung der Liftanlage eine Verbesserung iSd § 8 Abs 2 Z 1 MRG darstellt.

 

Die Zweit- und Drittantragsgegnerin halten in ihren Revisionsrekursbeantwortungen an ihrem Standpunkt fest, die Eingriffe seien ihnen unzumutbar.

 

Darauf kommt es allerdings nicht an:

 

Zwar gilt auch für eine nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG geplante Maßnahme das Schonungsprinzip (§ 8 Abs 3 MRG), sodass deren Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit in dem Sinn zu prüfen ist, dass nicht mehr als unbedingt nötig in die Rechte des Mieters eingegriffen wird.

 

Das in § 8 Abs 3 MRG angesprochene Schonungsprinzip sagt aber nichts darüber aus, welche Arbeiten der Mieter zu dulden hat. Seine Anwendung bedingt vielmehr umgekehrt, dass überhaupt ein zulässiger Eingriff vorliegt.

 

Anders als bei Maßnahmen, die § 8 Abs 2 Z 2 MRG zu unterstellen sind, findet somit nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG eine „weitergehende“ (gemeint: über die im Rahmen der Prüfung der Einhaltung des Schonungsprinzips hinausgehende) Interessenabwägung nicht statt.

 

Wesentlich ist zunächst, ob die vorgesehene Verkleinerung der drei Wohnungen und die damit verbundene Grundrissumgestaltung noch eine von den Mietern nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG zu duldende Veränderung darstellt, oder aber ob sie wegen der damit verbundenen tiefgreifenden Umgestaltung den Begriff der „Veränderung des Mietgegenstands“ überschreitet.

 

Bei dieser Beurteilung ist dem Gericht ein Wertungsspielraum eingeräumt. Dieser Wertungsspielraum hat sich aber aus den dargelegten Gründen nicht auf die Frage der Zumutbarkeit der Veränderung des Mietgegenstands, sondern ausschließlich darauf zu beziehen, ob nach der Veränderung noch vom „selben“ Mietgegenstand auszugehen ist. Es ist daher ein objektiver, nicht an den Bedürfnissen des konkreten Mieters orientierter Prüfmaßstab anzusetzen.

 

Einer der Faktoren, die für die Beurteilung maßgeblich sein können, ob noch von einer „Veränderung“ des Mietgegenstands auszugehen ist, ist zweifellos die Frage, in welchem Ausmaß, gemessen an der Gesamtnutzfläche, die Nutzfläche des Mietgegenstands verringert wird. So wurde etwa die Abtretung von 1,725 m² von der Küche einer 125 m² großen Wohnung bzw eine Verkleinerung der Nutzfläche um 1,05 m² als zu duldende Verringerung qualifiziert.

 

Für die Beurteilung, ob es sich noch um eine bloße Änderung des Mietgegenstands oder aber um eine so tiefgreifende Umgestaltung des Mietgegenstands handelt, dass sie nicht mehr unter § 8 Abs 2 Z 1 MRG subsumiert werden kann, kommt es allerdings nicht entscheidend und allein auf eine allfällige Nutzflächenverringerung an, sondern darauf, ob durch die Veränderung der Mietgegenstand in einem wesentlichen Punkt seiner bisherigen Funktion nicht mehr entspricht.

 

Im Anlassfall kann bei einer der ca 86 m² großen Wohnung, die 4,6 m² Nutzfläche in einem Hauptwohnraum einbüßen würde, von keinem so weitgehenden Funktionsverlust die Rede sein, dass nach dem geplanten Lifteinbau eine gänzlich veränderte Wohnung vorläge. Zweifellos bedingt der Nutzflächenverlust einen durchaus massiven Eingriff in die Grundrissgestaltung des einen Hauptraums. Ein verbleibender Raum von knapp 20 m² ist aber ebenso wie ein Raum mit 24,3 m² als Wohnraum, nunmehr mit einem tatsächlich ungünstigeren Grundriss, anzusehen. Von einem tiefgreifenden Funktionsverlust - der allenfalls zu bejahen wäre, wenn ein Wohnraum nach der Veränderung über kein Fenster mehr verfügt - kann nach der Verkehrsanschauung jedoch nicht ausgegangen werden. Darauf, wie die betroffenen Mieter den Raum bisher nutzten und ob die dort vorhandenen Möbel „sinnvoll“ umgestellt werden können, kommt es nach der maßgeblichen objektiven Betrachtungsweise nicht an. Diese Frage wäre allenfalls bei der - nicht hier vorzunehmenden - Beurteilung, welche Entschädigung den betroffenen Mietern für die wesentliche Beeinträchtigungen zu leisten sind, von Relevanz.

 

Zu prüfen bleibt daher, ob die Arbeiten, insbesondere im Vergleich zu anderen Gestaltungsmöglichkeiten, notwendig oder zweckmäßig sind.

 

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Duldungspflicht des Mieters nicht davon abhängig ist, dass der Vermieter die bestmögliche Verbesserung durchführt, sondern dass er überhaupt eine Verbesserungsarbeit durchführt. Die Auswahl der Verbesserungsarbeiten bleibt dem Vermieter vorbehalten.

 

Eine Einschränkung erfährt dieser Gedanke nur durch die gebotene Beachtung des bereits angesprochenen Schonungsprinzips (§ 8 Abs 3 erster Halbsatz MRG). Maßgeblich ist, ob der Eingriff in das Mietrecht unumgänglich, sachlich geboten oder zumindest für die Erreichung des Arbeitsziels sinnvoll erscheint. Der Gesetzgeber beschränkt sich keineswegs darauf, lediglich die Notwendigkeit des Eingriffs zu fordern; auch wenn die Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten unter Inkaufnahme erhöhter Mühen und Komplikationen ohne Eingriff in das Mietrecht vorgenommen werden könnten, lässt § 8 Abs 2 Z 1 MRG den Eingriff zu, wenn er sich als zweckmäßige, möglicherweise einfachere, wirtschaftlichere und bessere Maßnahme zur Erreichung des Arbeitsziels herausstellt. Der Vermieter muss daher die Maßnahme nicht so durchführen, dass ein (oder mehrere) Mieter möglichst wenig beeinträchtigt werden.

 

Lediglich dann, wenn eine für den Mieter schonendere und für den Vermieter nicht ungünstigere Alternative zur Erreichung desselben Zwecks zur Verfügung steht, macht es das in § 8 Abs 3 MRG normierte Schonungsprinzip erforderlich, dass der Vermieter diese schonendere Alternative ergreift. Das gilt etwa auch dann, wenn die Alternative einen geringeren Eingriff in das Mietrecht eines anderen Mieters im Haus nach sich zieht. Insoweit der Kurzbegründung in der - ein außerordentliches Rechtsmittel zurückweisenden - Entscheidung 5 Ob 1092/91 das Gegenteil zu entnehmen ist, kann dieser Standpunkt im Hinblick auf § 8 Abs 3 MRG nicht aufrecht erhalten werden.

 

Würde hingegen die Alternative für einen anderen Mieter zu einer vergleichbaren (oder gar höheren) Beeinträchtigung führen oder wäre die Alternative technisch aufwendiger und/oder mit höheren Kosten für den Vermieter verbunden, kann sich der Mieter auf das Schonungsprinzip nicht berufen. Bei im Wesentlichen gleicher Eingriffsintensität steht es dem Vermieter frei, von welchem seiner Mieter er die Duldung begehrt.

 

In erster Instanz haben die Antragsgegner auf eine günstigere Variante des Lifteinbaus an einer anderen Stelle in der Stiege II verwiesen, die zu einer (geringeren) Beeinträchtigung der Mieter der „Großwohnungen“ in Stiege II führen soll.

 

Diesen Einwand haben die Vorinstanzen, ausgehend von ihrer Rechtsansicht, dass die Maßnahmen jedenfalls nicht zu dulden sind, sachlich ungeprüft gelassen.

 

Im fortgesetzten Verfahren wird daher - allenfalls unter Einholung des in erster Instanz vom Erstantragsgegner bereits beantragten Sachverständigengutachtens - zu prüfen sein, ob eine für den Vermieter im dargelegten Sinn gleichwertige Alternative des Lifteinbaus in Stiege II besteht, die insgesamt schonender ist als das hier angestrebte Bauvorhaben.