05.11.2012 Zivilrecht

OGH: Anwendung des EKHG bei Unfall auf Rolltreppe in einer U-Bahnstation?

Die Benützung einer Rolltreppe in einer U-Bahnstation weist keinen ausreichenden Zusammenhang mit dem Betrieb der U-Bahn auf


Schlagworte: Schadenersatzrecht, EKHG, Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn, U-Bahn, Rolltreppe
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1 EKHG

GZ 8 Ob 84/12d, 13.09.2012

 

OGH: Gem § 1 EKHG besteht eine Haftung nach diesem Sondergesetz für Schäden aus Unfällen beim Betrieb einer Eisenbahn oder eines Kfz.

 

Die Klägerin behauptet nicht, dass es sich bei einer Rolltreppe um eine derartige Einrichtung handelt. Sie meint aber, dass die Benützung der fraglichen Rolltreppe dem Ein- und Aussteigen aus einem U-Bahnzug gleichzusetzen sei, weil diese Rolltreppe eine Verbindung zwischen zwei U-Bahnlinien darstelle und damit zur technischen Organisation der U-Bahn gehöre.

 

Der Begriff „beim Betrieb einer Eisenbahn“ iSd § 1 EKHG ist nach der Rsp dahin zu verstehen, dass sich jeweils eine dem Eisenbahnbetrieb eigentümliche Gefahr verwirklicht haben muss bzw ein unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder mit einer bestimmten Betriebseinrichtung der Eisenbahn besteht. Dementsprechend sind auch Unfälle beim Ein- und Aussteigen von der Gefährdungshaftung erfasst, wenn sich eine für die Eisenbahn eigentümliche Gefahr verwirklicht. Ist der Vorgang des Ein- und Aussteigens aber abgeschlossen, so wirkt sich die Betriebsgefahr der Eisenbahn nicht mehr aus. Ein - zur Begründung der besonderen Haftung nach dem EKHG ausreichender - zusammenhängender Vorgang mit dem Betrieb der Eisenbahn ist dann nicht mehr gegeben.

 

Für die Haftung nach dem EKHG muss somit ein unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder Betriebsmittel bestehen. Nur in einem solchen Fall erfassen die besonderen Haftungsregeln des EKHG die gesamte technische Organisation der Eisenbahn. Unfälle, die nur durch Anlagen, ohne Bezug zum technischen Betrieb der Eisenbahn, verursacht werden, scheiden als Betriebsunfall demnach aus.

 

Die Benützung einer Rolltreppe in einer U-Bahnstation weist keinen ausreichenden Zusammenhang mit dem Betrieb der U-Bahn auf. Besonders deutlich zeigt sich dieser Umstand beim Gang zur U-Bahn, wenn der Fahrgast am Bahnsteig auf die U-Bahn uU längere Zeit warten muss. Auch der Vorgang des Aussteigens aus der U-Bahn ist bei Benützung einer Rolltreppe bereits abgeschlossen, zumal bis zu deren Erreichen eine gewisse Wegstrecke zurückgelegt werden muss.

 

Rolltreppen sind Hilfsmittel zur bequemeren Bewältigung bestimmter längerer oder beschwerlicher Wegstrecken. IdR können außer den Rolltreppen auch Personenaufzüge oder Treppenaufgänge verwendet werden. Rolltreppen haben damit keinerlei spezifische Funktion für den technischen Betrieb einer U-Bahn. Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, die Haftung für eine Rolltreppe in einer U-Bahnstation anderen Haftungsregeln als jenen für eine Rolltreppe beispielsweise in einem Kaufhaus zu unterwerfen.

 

Im Anlassfall hat sich nicht die für den Betrieb einer U-Bahn eigentümliche Gefahr verwirklicht. Es liegt damit kein Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn vor. Eine (unmittelbare) Anwendung des EKHG scheidet aus.