03.12.2012 Zivilrecht

OGH: Videoüberwachungsanlage , die sich teilweise innerhalb (digitales Aufzeichnungsgerät) und teilweise außerhalb (Kamera) des Mietobjekts befindet – Anwendungsbereich des § 9 MRG (Veränderung des Mietgegenstandes)?

Die begehrte Installation einer Videoüberwachungsanlage, die sich teilweise innerhalb und teilweise außerhalb des Mietobjekts befindet, ist als Fall des § 9 MRG anzusehen und im Verfahren nach § 37 MRG zu behandeln


Schlagworte: Mietrecht, Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes, Videoüberwachungsanlage, Außerstreitverfahren, Duldungsansprüche des Mieters, Unterlassungsansprüche des Vermieters
Gesetze:

§ 9 MRG, § 37 MRG

GZ 6 Ob 229/11m, 16.11.2012

 

OGH: Für die Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozess zu entscheiden ist, kommt es auf den Inhalt des Begehrens, nicht aber darauf an, ob das Begehren selbst begründet ist. Dabei ist von den Behauptungen des Antragstellers, nicht aber von den Einwendungen des Antragsgegners oder den Feststellungen auszugehen, die das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweise trifft.

 

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall Folgendes: Die Klägerin hat die geltend gemachten Ansprüche (auch) auf § 9 MRG gestützt. Nach § 9 Abs 1 MRG hat der Hauptmieter eine von ihm beabsichtigte wesentliche Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands dem Vermieter anzuzeigen. Lehnt der Vermieter nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Anzeige die beabsichtigte Veränderung ab, so gilt seine Zustimmung als erteilt.

 

Nach ständiger oberstgerichtlicher Rsp betrifft der Anwendungsbereich des § 9 MRG grundsätzlich nur Veränderungen innerhalb des Mietgegenstands.

 

In der jüngeren Rsp ist jedoch eine Tendenz erkennbar, den Anwendungsbereich von § 9 MRG etwas weiter zu ziehen:

 

In 5 Ob 31/86 wurde eine Kabelverlegung zur Erreichung des Anschlusses am Kabelfernsehnetz durch allgemeine Teile des Hauses nach § 9 MRG beurteilt.

 

In der in einem Verfahren nach § 37 MRG ergangenen Entscheidung 5 Ob 307/01k wurde ausgeführt, der Vermieter habe unter den Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 und Z 3-7 MRG ua die Errichtung von Gasleitungsanlagen und einer Beheizungsanlage zu dulden, wofür im Regelfall auch Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden müssten, die nicht zum Mietgegenstand gehörten bzw nicht mitgemietet seien.

 

In 5 Ob 115/11i wurde die von der Mieterin zweier Geschäftslokale begehrte Anbringung einer zur Alarmanlage gehörigen Außensirene im Hof des Hauses als Fall des § 9 MRG angesehen und im Verfahren nach § 37 MRG behandelt.

 

Auch die zweitinstanzliche Rsp hat den Anwendungsbereich des § 9 MRG in Fällen, in denen Teile der begehrten oder durchgeführten Änderungen außerhalb des Mietgegenstands lagen, unter den § 9 MRG subsumiert: Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat etwa die Montage einer Attrappe einer Videokamera oberhalb einer Wohnungseingangstüre dem Tatbestand des § 9 Abs 1 MRG unterstellt, ebenso die Installation von Entlüftungsrohren an der Hausfassade, sowie das Aufstellen eines Klimageräts im Hof oder auf dem Flachdach.

 

In der Lehre vertreten Prader/Kuprian die Meinung, bei § 9 MRG gehe es in erster Linie zwar um Veränderungen innerhalb des Mietobjekts, jedoch sei in Einzelfällen die Inanspruchnahme außerhalb gelegener Flächen und Bauteile nicht ausgeschlossen. Die Installierung einer Videokamera unter Inanspruchnahme außenseitig gelegener Bereiche sei nicht generell ausgeschlossen, werde jedoch idR generell am kumulativ geforderten Kriterium der „Übung des Verkehrs“ scheitern.

 

Vonkilch führt aus, richtigerweise sei davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 9 MRG großzügig zu verstehen sei und grundsätzlich auch die (vorläufige oder dauernde) Inanspruchnahme von nicht zum Mietgegenstand selbst gehörenden Teilen des Hauses darunter subsumiert werden könne. Schon bei der isolierten Interpretation des § 9 MRG falle nämlich auf, dass nicht nur die Maßnahmen des § 9 Abs 5 Z 2 MRG regelmäßig auch Bereiche außerhalb des Mietgegenstands ieS tangierten, sondern häufig auch die in den Z 1, 2 und 4 genannten. Damit werde aber schon schwerlich erklärlich, warum der Gesetzgeber „Veränderungen des Bestandgegenstandes“ in § 9 Abs 1 MRG derart restriktiv verstanden haben solle, wenn der Großteil der in Abs 2 genannten Maßnahmen diesem Verständnis widerspreche. Durch ein großzügigeres Verständnis des grundsätzlichen Tatbestandsumfangs von § 9 MRG würde all jenen Entscheidungen eine zureichende Begründung geboten, in denen ohne nähere Thematik sehr wohl über den Bestandgegenstand selbst hinausreichende Arbeiten unter § 9 MRG subsumiert worden seien.

 

Der referierte Fall 5 Ob 115/11i ist mit dem vorliegenden durchaus vergleichbar: In beiden Fällen befindet sich die betreffende Anlage (dort Alarmanlage, hier Videoüberwachungsanlage) teilweise innerhalb (dort etwa Innensirene, hier digitales Aufzeichnungsgerät) und teilweise außerhalb (dort Außensirene, hier Videokamera) des Mietgegenstands. Im Licht der zitierten Rsp (insbesondere 5 Ob 115/11i) und Lehre ist daher nach Ansicht des erkennenden Senats auch der vorliegende Fall dem § 9 MRG zu unterstellen.

 

Gem § 22 Abs 1 Z 4 iVm Abs 4 WGG (vgl § 37 Abs 1 Z 6 MRG) ist über Anträge, die die Veränderung (Verbesserung) der zum entgeltlichen Gebrauch überlassenen Wohnung oder des Geschäftsraums (§ 9 MRG) betreffen, im Außerstreitverfahren zu entscheiden.

 

Dabei sind sowohl Duldungsansprüche des Hauptmieters nach § 9 Abs 1 MRG als auch - hier geltend gemachte - Unterlassungsansprüche des Vermieters dem Wirkungsbereich des Außerstreitrichters zugeordnet; nur vertragliche Ansprüche sind im Rechtsweg durchzusetzen. Die für Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstands (§ 9 MRG) in § 37 Abs 1 Z 6 MRG (bzw hier § 22 Abs 1 Z 4 iVm Abs 4 WGG) normierte Verweisung ins Außerstreitverfahren gilt auch für - hier gegenständliche - Entfernungsbegehren und Wiederherstellungsbegehren in Fällen, in denen der Mieter Veränderungen (Verbesserungen), die nach § 9 MRG der Zustimmung des Vermieters bedürfen, ohne dessen Zustimmung vorgenommen hat.