17.12.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Sanierung einer GmbH und nicht im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Nachschusspflicht der Gesellschafter – zur Frage, ob im Recht der GmbH § 1043 ABGB (Anspruch aus Aufopferung) anwendbar ist

Ist im Gesellschaftsvertrag einer GmbH nichts anderes vereinbart, so geht der das sozietäre Rechtsverhältnis begründende Gesellschaftsvertrag davon aus, dass ein Gesellschafter gegen seinen Willen - auch in der Krise oder im Sanierungsfall - Nachschüsse nicht leisten muss; ein Gesellschafter, der sich (weiteren) Sanierungsmaßnahmen verweigert hat, kann daher nicht nachträglich zu einem Sanierungsbeitrag gezwungen werden


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, GmbH, keine Nachschusspflicht, Sanierung, Bereicherungsrecht, Verwendungsanspruch, Anspruch aus Aufopferung
Gesetze:

§ 72 GmbHG, § 1043 ABGB

GZ 6 Ob 47/11x, 16.11.2012

 

OGH: Wie das Stammkapital müssen Nachschüsse im Gesellschaftsvertrag verankert sein (§ 72 Abs 1 GmbHG). Die Nachschusspflicht ist auf einen nach dem Verhältnis der Stammeinlagen bestimmten Betrag zu beschränken. Eine dem nicht entsprechende Bestimmung des Gesellschaftsvertrags ist wirkungslos (§ 72 Abs 2 GmbHG). Die Einzahlung der Nachschüsse ist von sämtlichen Gesellschaftern nach Verhältnis ihrer Stammeinlagen zu leisten (§ 72 Abs 3 GmbHG). Die Nachschusspflicht oder ihre Erhöhung kann nicht durch nachträglichen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter eingeführt werden. Ihre Einführung oder Erhöhung setzt vielmehr einen einstimmigen Beschluss der Gesellschafter voraus, bildet sie doch einen Fall (Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Vertrag obliegenden Leistungen) des § 50 Abs 4 GmbHG. Ausweislich der Materialien ist die Nichtzulassung selbst eines hoch qualifizierten Mehrheitsbeschlusses von der Erwägung getragen, dass dies „zu einer sehr bedenklichen Härte und Unbilligkeit gegen die Gesellschafter ausarten [könnte], die unter der Voraussetzung bestimmt umgrenzter finanzieller Verpflichtungen in die Gesellschaft eingetreten sind und nun zu ungeahnten Leistungen von vielleicht beträchtlichem Umfange herangezogen werden, denen sie sich besten Falls nur durch Aufgabe ihres Gesellschaftsrechtes entziehen könnten“ und nicht ein Mittel geschaffen werden sollte, „die weniger kapitalskräftigen Elemente zu erdrücken“.

 

Aus der Treuepflicht im Verhältnis der Gesellschafter untereinander und im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter kann auch in Notsituationen eine Pflicht eines Gesellschafters zu zusätzlichen finanziellen Leistungen nicht abgeleitet werden, widerspräche dies doch § 50 Abs 4 und § 72 GmbHG. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Abrede.

 

Ist im Gesellschaftsvertrag einer GmbH nichts anderes vereinbart, so geht daher der das sozietäre Rechtsverhältnis begründende Gesellschaftsvertrag davon aus, dass ein Gesellschafter gegen seinen Willen - auch in der Krise oder im Sanierungsfall - Nachschüsse nicht leisten muss. Der Gesellschaftsvertrag schließt nachträgliche Belastungen, die nicht von allen Gesellschaftern gewollt sind, aus. Darin sind sich die Gesellschafter, die im Gesellschaftsvertrag Gegenteiliges nicht vereinbart haben, einig.

 

Der OGH billigt die Auffassung des Berufungsgerichts, dass das zwischen den Gesellschaftern bestehende vertragliche Schuldverhältnis für die Anwendung des § 1043 ABGB in einer Konstellation wie sie hier vorliegt keinen Raum lässt. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die gegenteilige Ansicht der Klägerin darauf hinausläuft, den Gesellschafter, der nach der Gesellschaftsvertragslage auch im Sanierungsfall nur mit seiner Zustimmung zu finanziellen Leistungen verpflichtet werden kann, zu einem unfreiwilligen finanziellen Sanierungsbeitrag - wenngleich nur bei erfolgreicher Sanierung - zu verhalten.

 

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin widerspricht die Verneinung der Anwendbarkeit des § 1043 ABGB nicht den oberstgerichtlichen Entscheidungen 2 Ob 56/59 und 8 Ob 37/88. Beiden lag zugrunde, dass den Miteigentümern einer Liegenschaft von der Baubehörde der Auftrag zu Instandsetzungsarbeiten erteilt worden war und - weil die Ersatzvornahme infolge Nichtbefolgung des Auftrags bevorstand - ein Miteigentümer den Auftrag zur Durchführung der Instandsetzungsarbeiten erteilt und diese bezahlt hatte. Der OGH hat in diesen Fällen die Anwendbarkeit des § 1043 ABGB bejaht. Für die Ansicht der Klägerin ist daraus nichts zu gewinnen, weil alle Miteigentümer zur Durchführung der Instandsetzungsarbeiten verpflichtet waren und ein Vertrag zwischen den Miteigentümern nicht bestand. Die Beklagte musste sich aber nach der mit den sanierenden Gesellschaftern bestehenden Vertragslage nicht an Sanierungsmaßnahmen beteiligen.

 

Das Argument, der Gesellschaftsvertrag der Klägerin stehe einer Anwendung des § 1043 ABGB nicht im Weg, weil die Verzichte der Gesellschafter (auf Ansprüche aus den Besserungsvereinbarungen) nicht Gegenstand einer Regelung im Gesellschaftsvertrag seien, überzeugt nicht. Alle Gesellschafter wissen, dass einem einzelnen Gesellschafter gegen seinen Willen Sanierungsaufwendungen nicht angelastet werden können. Im Fall der gelungenen Sanierung durch finanzielle Aufwendungen oder durch Forderungsverzichte von Gesellschaftern aber den sich weigernden Gesellschafter über § 1043 ABGB nachträglich dadurch finanziell zu belasten, dass jener die sanierenden Gesellschafter für ihren erlittenen Verlust verhältnismäßig entschädigen muss, widerspricht dem Gesellschaftsvertrag. Dieser verbietet es ja, von einem Gesellschafter gegen seinen Willen einen anteiligen Aufwand zu verlangen, auch wenn eine Sanierung aussichtsreich erscheint. Die sanierenden Gesellschafter sind Vertragspartner der anderen und haben die Ablehnung einer Beteiligung an Sanierungsmaßnahmen hinzunehmen.

 

Die Ansicht der Revisionswerberin, es verstieße gegen den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wollte man die Beklagte durch Verneinung gegen sie gerichteter Ausgleichsansprüche bezüglich des rückgeführten Gesellschafterdarlehens in erheblich höherem Ausmaß am Sanierungserfolg bei der Klägerin teilhaben lassen, als ihrem Anteil an der Sanierungslast entspräche, kann nicht geteilt werden. Ihr ist entgegen zu halten, dass dieser Grundsatz keine Grundlage dafür sein kann, einem Gesellschafter das vertragliche Recht auf Ablehnung einer nachträglichen finanziellen Belastung zu nehmen. Angemerkt sei, dass die Klägerin (bzw die zedierenden Gesellschafter) die Beklagte nicht nur im Ausmaß des vom Schuldner rückgeführten Darlehens an der Sanierungslast teilhaben lassen wollen, sondern auch im Ausmaß der Zahlung der von ihr geschuldeten Mietentgelte.

 

Der deutsche BGH hat in seinem Versäumungsurteil vom 20. 6. 2005, II ZR 252/03, ausgesprochen, dass Kommanditisten, deren Kapitalkonto durch gesellschaftsvertraglich zugelassene Ausschüttungen negativ geworden ist und die zur Abwendung einer Krisensituation der Gesellschaft ohne rechtliche Verpflichtung die Entnahmen an die Kommanditgesellschaft zurückzahlen, auch dann ein die Erstattungspflicht der Gesellschaft nach § 110 (d)HGB auslösendes Sonderopfer erbringen, wenn sie mit der Zahlung zugleich dafür sorgen, dass sie in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs 4 (d)HGB in Anspruch genommen werden können. Die Klage eines Kommanditisten, der seine Entnahmen nicht zurückgezahlt hatte, blieb deshalb erfolglos. Er hatte mit ihr erreichen wollen, dass die Unzulässigkeit des Vorgehens der Liquidatoren festgestellt wird, aus dem nach Verkauf von Gesellschaftsvermögen entstandenen Überschuss nach Befriedigung aller außenstehenden Gläubiger zunächst jene Kommanditisten wegen ihrer Forderungen zu bedienen, die in der Notsituation die früher bezogenen Ausschüttungen zurückgezahlt haben.

 

Die Revisionswerberin meint, es erscheine die wertungsmäßige Identität des vom BGH durch Heranziehung des dem § 110 UGB entsprechenden § 110 (d)HGB erzielten Ergebnisses mit jenem frappant, das bei Bejahung von Ansprüchen gem § 1043 ABGB der übrigen Gesellschafter der Klägerin gegen die Beklagte erzielt würde. Das vermag nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass sich der Anspruch eines Gesellschafters (einer Offenen Gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft) auf Ersatz für Aufwendungen und für Verluste nach § 110 UGB gegen die Gesellschaft und nicht gegen die Mitgesellschafter richtet, geht es im vorliegenden Fall nicht um die vorrangige Beteiligung der sanierenden Gesellschafter bei der Verteilung des Verkaufserlöses. Im BGH-Fall führten die zu ersetzenden Aufwendungen der Kommanditisten zu einer Kürzung des Gesellschaftsgewinns und damit des Gewinnanspruchs aller Gesellschafter. Hier streben die sanierenden Gesellschafter der Klägerin aber nach den Klagsbehauptungen eine nachträgliche Beteiligung der Beklagten an der Sanierungslast im Ausmaß ihrer Beteiligung an der Klägerin an. Im Übrigen werden unter „Verluste“ iSd § 110 UGB alle unfreiwillig erlittenen Nachteile im Vermögen verstanden. Die sanierenden Gesellschafter der Klägerin haben aber ihre Forderungen gegen die Tochtergesellschaft aufgrund eines Verzichts verloren.