12.02.2013 Zivilrecht

OGH: Kosmetikerhaftung (hier: Körperenthaarung)

Für wertlose Leistungen steht schon grundsätzlich kein Honorar zu; dazu kommt, dass der Kläger infolge fehlender Aufklärung über das Verbrennungsrisiko den Eingriffen nicht wirksam zugestimmt hat, sodass er nicht nur berechtigt ist, Schmerzengeld nach § 1325 ABGB zu verlangen, sondern auch das geleistete Honorar zurückzufordern


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Kosmetiker, Behandlungsvertrag, Aufklärungspflicht, Behandlungsfehler, Vertragsrücktritt, Honorar
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

GZ 7 Ob 137/12s, 19.12.2012

 

OGH: Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist hier der Umstand, ob (ärztliche) Aufklärungspflichten verletzt wurden, nicht entscheidend; wie die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt, ist der Beklagten nämlich jedenfalls ein Behandlungsfehler anzulasten. In diesem Zusammenhang ist daher aus der Rsp, wonach dann, wenn die ohne Einwilligung oder ohne ausreichende Aufklärung des Patienten vorgenommene eigenmächtige Behandlung des Patienten nachteilige Folgen hat und der Patient sonst in die Behandlung nicht eingewilligt hätte, der Arzt für diese Folgen selbst dann haftet, wenn die Behandlung lege artis erfolgte, nichts zu gewinnen. Auch die besondere Beweislastverteilung im Arzthaftungsrecht, die nach einhelliger jüngerer Rsp auf der Erwägung beruht, dass auch eine lege artis durchgeführte Heilbehandlung in die körperliche Integrität des Patienten und damit in ein absolut geschütztes Rechtsgut eingreift, sodass sie ohne Einwilligung rechtswidrig ist, spielt hier keine Rolle.

 

Die Beklagte hat vielmehr (unabhängig davon, welchem Vertragstyp der „Behandlungsvertrag“ zwischen den Streitparteien zuzuordnen ist, sowie davon, ob ein operativer Eingriff und ob ein Aufklärungsfehler vorliegt) gegen ihre - nach § 1299 ABGB zu beurteilende (angehobener Sorgfalts- und objektiver Verschuldensmaßstab) - Pflicht verstoßen, das zur „Blitzlampen-Epilation“ verwendete Gerät sachgerecht zu bedienen. Die „apparative Photoepilationsbehandlung“ hätte lege artis, hier also mit der üblichen Sorgfalt von Personen, die derartige Tätigkeiten ausüben, durchgeführt werden müssen, wobei die Beklagte für die typischen Fähigkeiten des Berufsstands einstehen muss; entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe.

 

Nach den im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen hat diese Behandlung jedoch beim Kläger die schmerzauslösenden „Verbrennungen“ verursacht, weil es im Zuge der Behandlung der Rückenregion beim Wechsel von der rechten auf die linke Seite „seitens der behandelnden Kosmetikerin“ (der Beklagten) zu einer Änderung der Grundeinstellung des Gerätes hinsichtlich der Energiedichte kam. Dass dies auf einen Gerätedefekt zurückzuführen gewesen wäre, konnte hingegen nicht festgestellt werden und wird von der Beklagten auch gar nicht behauptet; bringt sie doch selbst vor, jeder technischer Fehler bei diesem Gerät könne „ausgeschlossen“ werden.

 

Es steht also fest, dass die Körperverletzung des Klägers durch eine von der behandelnden Kosmetikerin geänderte (zu hohe) Energiedichte bei der Behandlung der dadurch verbrannten Körperstellen verursacht wurde. Damit griff die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB: Die Beklagte als Schädigerin hätte beweisen müssen, dass sie kein Verschulden trifft, was ihr nicht gelungen ist.

 

Der Rekurswerber macht geltend, beim Vertrag zwischen den Streitteilen sei der konkrete - wenn auch nicht dauerhafte - Erfolg einer Haarentfernung vereinbart worden. Jedenfalls überwögen die werkvertraglichen Elemente, wie etwa bei einer Körperhaarentfernung durch Wachs oder beim Friseur, der „Haareschneiden“ anbiete. Aber auch wenn man vom Vorliegen eines gemischten Vertrags und der Judikatur zur kosmetischen Operation ausgehe und berücksichtige, dass - wie der Kläger zugestehe - die gesamte „Behandlung“ wegen des Vertragsrücktritts nicht abgeschlossen habe werden können, sei dem Berufungsgericht nicht dahin zu folgen, dass noch geklärt werden müsse, ob der Abbruch der Behandlung durch den Kläger gerechtfertigt oder eine Behandlungsfortsetzung für ihn zumutbar sei.

 

Diesen Ausführungen ist beizupflichten.

 

Zu Recht beruft sich der Rekurswerber darauf, dass er nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen über das Risiko von Verbrennungen nicht aufgeklärt wurde, welches sich in der Folge in der Form verwirklichte, dass er nicht nur im linken Schulter- und Oberarmbereich Verbrennungen des Grades I bis IIa auf circa 4 % der Körperoberfläche erlitt, sondern auch dauerhafte Depigmentierungen. Durch die vier bereits durchgeführten Behandlungen trat kein feststellbarer Erfolg in Bezug auf die vereinbarte Haarentfernung ein; statt dessen erlitt der Kläger bleibende Pigmentstörungen im Bereich der Verbrennungen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vollständig rückbilden werden; dies in Form von münzgroßen Aufhellungen. Die Gesamtausdehnung der Depigmentierungen (mit einem leicht scheckigen Charakter, der bei stärkerer Sonnenbestrahlung höchstwahrscheinlich noch stärker zu Tage treten wird) beträgt circa 20 x 30 cm.

 

Für wertlose Leistungen steht schon grundsätzlich kein Honorar zu. Dazu kommt, dass der Kläger infolge fehlender Aufklärung über das Verbrennungsrisiko den Eingriffen nicht wirksam zugestimmt hat, sodass er nicht nur berechtigt ist, Schmerzengeld nach § 1325 ABGB zu verlangen, sondern auch das geleistete Honorar zurückzufordern.

 

Dem Rekurs ist daher darin beizupflichten, dass es schon infolge Fehlberatung (unterbliebene Aufklärung über das Verbrennungsrisiko) und wertloser Fehlbehandlung, wodurch der Kläger die festgestellten Schmerzen und Dauerfolgen erlitt, keiner weiteren Feststellungen zur Zumutbarkeit des Behandlungsabbruchs bedarf.