15.04.2013 Zivilrecht

OGH: Zur Frage der Tierhalterhaftung durch einen Tierschutzverein

Einen Tierschutzverein trifft keine Haftung gegenüber einer Interessentin, deren Wahl im Tierschutzhaus auf einen Staffordshire Terrier fiel und die sich anlässlich der Verabschiedung vom Hund selbst in eine Gefahrenlage brachte, mit der der Tierschutzverein (Hundehalter) nicht rechnen musste


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Tierhalterhaftung, Tierschutzverein
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1320 ABGB

GZ 1 Ob 35/13y, 14.03.2013

 

Die Klägerin wollte sich im Tierschutzhaus des beklagten Tierschutzvereins einen Hund aussuchen. Ihre Wahl fiel auf einen sieben Jahre alten American Staffordshire Terrier mit kräftiger, bulliger Statur. In der mehrmonatigen Beobachtung des Tierschutzvereins zeigte der Hund ein sehr zutrauliches und menschenbezogenes Verhalten. Er sah und hörte schlecht. Sein Schielen war augenfällig. Er galt als „Schmuser“. Beim Besuch der Klägerin trug der Staffordshire Terrier wegen einer Verletzung am Ohr keinen Maulkorb, wurde aber an der Leine geführt. Der Hund verhielt sich gegenüber der Klägerin sehr zutraulich, verspielt und unauffällig. Die Klägerin wollte sich noch überlegen, ob sie den Hund zu sich nach Hause nimmt. Anlässlich der Verabschiedung beugte sie sich zu ihm hinunter und sprach ihn in kurzer Distanz über seinem Kopf an. Als Reaktion fuhr dessen Kopf in die Höhe, wodurch es zum Kontakt der Zähne des Hundes mit der Nase der Klägerin kam. Dadurch erlitt die Klägerin eine Verletzung am rechten Nasenflügel.

 

OGH: Obwohl nach interner Anordnung grundsätzlich eine Beißkorbpflicht bestand, hat der Tierschutzverein gegen keine Rechtsvorschrift verstoßen, wenn der American Staffordshire Terrier im Tierschutzhaus wegen einer Verletzung am Ohr keinen Maulkorb trug.

 

Den Tierschutzverein trifft auch keine Haftung als Hundehalter, sorgte er doch unter den gegebenen Umständen für eine ausreichende Verwahrung und Beaufsichtigung des Staffordshire Terriers. Zwar handelt es sich beim Staffordshire Terrier um einen Hund mit erhöhtem Gefährdungspotential, jedoch verhielt sich dieser sowohl in der mehrmonatigen Beobachtung des Tierschutzvereins als auch gegenüber der Klägerin friedlich und unauffällig. Eine besondere Gefährlichkeit des Menschen gewohnten Hundes war bis zum Vorfall nicht erkennbar. Die (erwachsene) Klägerin brachte sich bei der Verabschiedung selbst in die Gefahrenlage, indem sie sich über dem Kopf des bekannt seh- und hörbehinderten Hund näherte und ihn aus kurzer Distanz ansprach, wodurch dieser aufgrund seines natürlichen Verhaltens in die Höhe fuhr. Der Tierschutzverein musste nicht damit rechnen, dass die Klägerin gegenüber dem ihr fremden Hund ein solches Verhalten setzt.