10.06.2013 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage der Zusammenrechnung von Einkünften des Schuldners im Schuldenregulierungsverfahren

Im Schuldenregulierungsverfahren ist § 292 EO analog anzuwenden


Schlagworte: Insolvenzrecht, Schuldenregulierungsverfahren, Zusammenrechnung von Einkünften des Schuldners
Gesetze:

§§ 181 ff IO, § 292 EO

GZ 8 Ob 97/12s, 04.03.2013

 

OGH: Nach § 205 Abs 1 IO hat das Insolvenzgericht im Abschöpfungsverfahren auf Antrag des Treuhänders, eines Insolvenzgläubigers oder des Schuldners die Forderungen des Schuldners auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion nach § 292 EO zusammenzurechnen, den unpfändbaren Freibetrag nach § 292a EO zu erhöhen oder nach § 292b EO herabzusetzen.

 

Die IO regelt eine Zusammenrechnung zwar nur für das Abschöpfungsverfahren ausdrücklich, darüber hinaus wird aber in der Literatur eine analoge Anwendung des § 292 EO auch im Schuldenregulierungsverfahren befürwortet. Maßgebliches Argument dafür ist, dass die IO hinsichtlich der Frage der Pfändbarkeit von Einkünften einen Generalverweis auf die Bestimmungen der EO enthalte. Nach den Gesetzesmaterialien sei eine ausdrückliche Regelung für das Abschöpfungsverfahren nur deswegen erforderlich gewesen, weil der Treuhänder die Bezüge nicht aufgrund eines Hoheitsakts, sondern aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Abtretung erhält. Darüber hinaus spreche § 185 Abs 1 Z 1 KO über den notwendigen Inhalt des Vermögensverzeichnisses für eine Anwendung der Zusammenrechnungsbestimmungen der EO im Schuldenregulierungsverfahren, weil die darin vom Schuldner geforderte Angabe der „für die Zusammenrechnung, Erhöhung und Herabsetzung des unpfändbaren Freibetrags maßgebenden Umstände“ ansonsten gegenstandslos wäre.

 

Der erkennende Senat schließt sich dieser fundiert begründeten und zudem praxisgerechten Auffassung, die - soweit überblickbar - in der Literatur auch keine Gegenstimmen gefunden hat, an. Die Bedenken des Rekursgerichts, eine Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts über die Zusammenrechnung stünde in einem Spannungsverhältnis zu §§ 5 Abs 1, 83 und 84 IO, können dagegen nicht überzeugen.

 

Gegenstand der Überlassung nach § 5 Abs 1 IO durch den Insolvenzverwalter sind nur jene Einkünfte und Zuwendungen, die gem § 2 Abs 2 IO zur Insolvenzmasse gehören, die also der Exekution unterliegen. Auf die unpfändbaren Teile des Schuldnereinkommens hat der Insolvenzverwalter mangels Massezugehörigkeit von vornherein keinen (rechtlichen) Zugriff, das Existenzminimum ist daher nicht zu überlassen, sondern steht dem Schuldner unmittelbar zur freien Verfügung. Erhält ein Schuldner nun Einkünfte von mehreren Drittschuldnern, die für sich allein jeweils nicht das unpfändbare Existenzminimum übersteigen, sind sie alle der Exekution und damit gleichzeitig der Insolvenzmasse entzogen. Um diese Bezüge pfändbar zu machen und überhaupt in die Masse einbeziehen zu können, bedarf es eines konstitutiv wirkenden Gerichtsbeschlusses nach § 292 EO. Mit diesem Beschluss wird entgegen den Bedenken des Rekursgerichts noch nicht über die Massezugehörigkeit entschieden, zumal bestehende Rechte Dritter unberührt bleiben, sondern nur darüber, ob und in welchem Umfang Einkünfte des Schuldners der Exekution unterworfen sind.

 

Eine Entscheidung nach § 292 Abs 2 EO (§ 205 IO) ist nicht von Amts wegen zu fassen, sondern nur auf Antrag eines dazu Berechtigten.

 

Bei der Zusammenrechnung von Geldforderungen mit Sachleistungsansprüchen ist so vorzugehen, dass sich der unpfändbare Freibetrag der Gesamtforderung um den Wert der dem Verpflichteten verbleibenden Sachleistungen vermindert (maximal bis zum halben Grundbetrag: § 292 Abs 4 EO). Der grundleistungspflichtige Drittschuldner hat den Sachbezugswert vom unpfändbaren Forderungsteil (Grund- und Steigerungsbetrag) in Abzug zu bringen und dem Schuldner nur den Rest (mindestens aber den halben Grundbetrag) auszubezahlen. Bei mehreren anteilig grundleistungspflichtigen Drittschuldnern kommt allenfalls auch eine aliquote Aufteilung des anzurechnenden Sachbezugswerts in Frage, damit ein gesetzmäßiges Ergebnis erzielt werden kann.