16.09.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Diskriminierung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das Erfordernis des Zusammenhangs von Verhaltensweisen des Arbeitgebers mit einem "geschützten Merkmal" (hier: der ethnischen Zugehörigkeit) einer Arbeitnehmerin darf nicht zu eng gesehen werden, um den Zweck gleichbehandlungsrechtlicher Regelungen, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen


Schlagworte: Gleichbehandlungsrecht, Gleichbehandlungsgebot iZm Arbeitsverhältnis, ethnische Zugehörigkeit
Gesetze:

§ 17 GlBG, § 26 GlBG, § 12 GlBG, VBO

GZ 9 ObA 40/13t, 24.07.2013

 

Die aus Polen stammende Klägerin war seit 2009 als Hilfsköchin bei der Beklagten beschäftigt. Sie wurde vom Produktionsleiter, ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, häufig mit Äußerungen bedacht, in denen er auf ihre polnische Herkunft in herabsetzender und beleidigender Weise Bezug nahm.

 

Nachdem sich die Klägerin in einer Besprechung mit dem Küchenleiter am 9.12.2010 ua auch darüber beschwert hatte, wurde sie von der Beklagten am 3.2.2011 gekündigt. Die Kündigung erfolgte über Antrag des Küchenleiters, der eine Zusammenarbeit des Produktionsleiters mit der Klägerin aufgrund der Beschwerden der Klägerin für unmöglich hielt.

 

Die Vorinstanzen bejahten das Vorliegen einer Diskriminierung der Klägerin wegen ethnischer Zugehörigkeit bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und gaben ihrer Kündigungsanfechtung statt.

 

OGH: Eine Belästigung steht dann mit dem geschützten Merkmal (zB ethnische Zugehörigkeit iSd § 17 Abs 1 GlBG oder § 4a Abs 1 VBO 1995) „im Zusammenhang“, wenn die konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein geschütztes Merkmal vorliegt, zugerechnet werden kann. Das Erfordernis des „Zusammenhangs“ darf dabei, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen, nicht zu eng gesehen werden. Das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit - die AntirassismusRL 2000/43/EG spricht in diesem Zusammenhang von „Rasse oder ethnische Herkunft“ - ist nicht vom Bestehen tatsächlicher Unterschiede abhängig. Es genügt - wie im vorliegenden Fall - die durch herabsetzende Bezugnahme auf die ausländische Herkunft zum Ausdruck gebrachte „Fremdzuschreibung“.

 

Dass der Produktionsleiter der Beklagten mit seinen unter Bezugnahme auf die ausländische Herkunft der Klägerin herabsetzenden und beleidigenden Äußerungen eine unerwünschte Verhaltensweise iSd § 4a Abs 3 Z 2 VBO 1995 gesetzt hat, die mit dem in § 4a Abs 1 VBO 1995 genannten Grund der ethnischen Zugehörigkeit der Klägerin im Zusammenhang steht, haben die Vorinstanzen zutreffend bejaht. Da der Küchenleiter die Kündigung der Klägerin tatsächlich deshalb beantragte, weil sich die Klägerin über das (diskriminierende) Verhalten des Produktionsleiters beschwert hatte und er aus diesem Grund eine weitere Zusammenarbeit dieser beiden Personen für unmöglich hielt, ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin sei durch den darauf basierenden Kündigungsausspruch der Beklagten auch gem § 4a Abs 3 Z 3 VBO 1995 diskriminiert worden (vgl dazu auch das Benachteiligungsverbot nach § 27 GlBG), nicht korrekturbedürftig. Abgesehen davon muss sich die Beklagte, die die Kündigung der Klägerin nicht ausgesprochen hätte, wären ihr die wahren Umstände über das diskriminierende Verhalten ihres Produktionsleiters und die Beschwerden der Klägerin bekannt gewesen, die Kenntnisse ihres Küchenleiters, die dieser bei seinem Kündigungsansuchen verschwieg, gemäß den von ihr organisierten Abläufen zur Informationsbeschaffung vor dem Kündigungsanspruch zurechnen lassen.