03.01.2014 Verfahrensrecht

OGH: Zum Einsatz von Zwangsmitteln nach § 79 AußStrG zur Erzwingung von psychiatrischen Untersuchungen im Obsorgeverfahren

Die Zwangsmittel des § 79 Abs 1 AußStrG stehen nur für Verfügungen offen, die für den Fortgang des Verfahrens notwendig bzw unverzichtbar (§ 31 Abs 5 AußStrG) sind; Zwangsmittel dürfen nur nach dem Prinzip des gelindesten Mittels eingesetzt werden


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Zwangsmittel, Erzwingung von psychiatrischen Untersuchungen im Obsorgeverfahren
Gesetze:

§ 79 AußStrG, § 180 ABGB, § 181 ABGB, § 138 ABGB, § 176 ABGB aF, § 178a ABGB aF

GZ 8 Ob 89/13s, 28.10.2013

 

OGH: Beschwerdegegenstand bei Geldstrafen ist die Bestrafung als solche. Der Entscheidungsgegenstand ist damit iSd § 62 Abs 3 und 4 AußStrG nicht rein vermögensrechtlicher Natur.

 

Nach § 79 Abs 1 AußStrG hat das Gericht Verfügungen, die für den Fortgang des Verfahrens notwendig sind, gegenüber Personen, die sie unbefolgt lassen, von Amts wegen durch angemessene Zwangsmittel durchzusetzen. Voraussetzung für die Anwendung ist eine durchsetzbare Pflicht.

 

Im außerstreitigen Verfahren kann auch die aus § 35 AußStrG iVm § 359 ZPO abzuleitende Pflicht zur Mitwirkung an einem Sachverständigenbeweis mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Wo die Grenzen der durchsetzbaren Mitwirkungspflicht zu ziehen sind, bedarf gerade im Fall der Anordnung medizinischer Untersuchungen einer Interessenabwägung, weil hier das amtswegig zu verfolgende Informationsinteresse einem nicht unbedeutenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Partei gegenübersteht; Mittel und Zweck der Beweisaufnahme sind gegeneinander abzuwägen.

 

Während im Abstammungsverfahren sogar Eingriffe in die körperliche Identität mit Beugestrafen erzwungen werden können und für die Anwendung nicht invasiver Untersuchungsmethoden unmittelbarer Zwang ausgeübt werden darf (§ 85 Abs 3 AußStrG), bestehen für die Belange des Sorgerechtsverfahrens keine besonderen Regelungen über die Mitwirkung an einem medizinischen Sachverständigenbeweis. Die Anordnungen des § 359 ZPO können im Wege des § 35 AußStrG nur insoweit herangezogen werden, als sie mit den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens in Einklang zu bringen sind.

 

Für eine erschöpfende Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen die Mitwirkung einer Partei an einer psychiatrischen Untersuchung zur Beurteilung der Obsorgeeignung erzwungen werden darf, bietet aber der vorliegende Einzelfall keinen geeigneten Anlass. Es liegt bereits ein abgeschlossenes psychologisches Gutachten mit einer klaren Aussage zur (mangelhaften) Erziehungsfähigkeit der Mutter vor. Die Anregung der Sachverständigen, die Mutter wegen bestimmter Verhaltensauffälligkeiten einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, war offenbar nicht Bedingung für das abschließende psychologische Kalkül. Sie zielte darauf ab, einen allfälligen Krankheitswert des mütterlichen Verhaltens aufzudecken und daraus Prognosen für die Zukunft ableiten zu können.

 

Ob sich diese Informationen (insbesondere angesichts des bereits mündigen Alters des Kindes) auf die bereits erfolgte Beurteilung der Erziehungsfähigkeit aus psychologischer Sicht entscheidend auswirken würden und damit für den Fortgang des Obsorgeverfahrens notwendig sind, wäre zunächst mit der psychologischen Sachverständigen zu klären, bevor der Einsatz einer Beugestrafe in Betracht kommt. Die Zwangsmittel des § 79 Abs 1 AußStrG stehen nämlich nur für Verfügungen offen, die für den Fortgang des Verfahrens notwendig bzw unverzichtbar (§ 31 Abs 5 AußStrG) sind. Sie sind keine Strafen für die Missachtung einer gerichtlichen Verfügung, sondern sollen dazu dienen, der Anordnung in Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen. Zwangsmittel sind ultima ratio und dürfen nur nach dem Prinzip des gelindesten Mittels eingesetzt werden.

 

Auch für die Beurteilung des Rekursgerichts, die Beugestrafe sei allein schon zur Durchsetzung des Erscheinens der Mutter beim Sachverständigen zu verhängen gewesen, bietet der Sachverhalt derzeit keine ausreichende Grundlage. Ob ein Aktengutachten auf Grundlage des vorhandenen Materials erstellt werden kann, gegebenenfalls welchen Beitrag ein persönlicher Eindruck der Mutter dazu leisten könnte, wäre mit dem psychiatrischen Sachverständigen zu erörtern, bevor als ultima ratio Zwangsmittel eingesetzt werden.

 

Falls die Erstellung eines psychiatrischen Aktengutachtens möglich ist, wäre außerdem zu überlegen, ob der Sachverständige nicht in einer Verhandlungstagsatzung einen intensiveren persönlichen Eindruck von der Mutter gewinnen könnte als bei einem kurzem Zusammentreffen in seinem Untersuchungsraum. Das persönliche Erscheinen der Eltern zur Verhandlung ist nach § 31 Abs 5 AußStrG erzwingbar. Ein in der Tagsatzung mündlich erstattetes psychiatrisches Gutachten könnte außerdem ohne weitere Verzögerung sofort erörtert werden.

 

Dem Revisionsrekurs war daher im Ergebnis Folge zu geben und die verhängte Beugestrafe ersatzlos aufzuheben.