27.01.2014 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Verweisbarkeit beim Erfordernis häufiger Toilettengänge

Stündliche Toilettengänge führen bei Tätigkeiten mit regelmäßigem Publikums- und Kundenkontakten zu einer massiven Störung des Arbeitsablaufs


Schlagworte: Invaliditätspension, Verweisbarkeit, zusätzliche Arbeitspausen
Gesetze:

§ 255 ASVG, § 273 ASVG

GZ 10 ObS 125/13z, 22.10.2013

 

OGH: Grundsätzlich darf ein Versicherter auf eine Berufstätigkeit dann nicht verwiesen werden, wenn er diese nur unter der Voraussetzung eines besonderen Entgegenkommens des Arbeitgebers verrichten kann. Für die Annahme eines besonderen Entgegenkommens des Dienstgebers ist entscheidend, ob und inwieweit in der Wirtschaft ein bestimmtes Ausmaß von zusätzlichen Pausen im Allgemeinen toleriert wird. Dabei ist grundsätzlich von der Regelung über die Ruhepausen in § 11 AZG auszugehen. Benötigt ein Versicherter über die gesetzlich vorgesehenen Pausen hinaus zusätzliche Arbeitspausen, so ist eine Verweisung nur zulässig, wenn eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung steht, bei denen die erforderlichen Pausen gewährt werden. Ob dies zutrifft ist eine Tatfrage.

Im Allgemeinen werden behinderungsbedingte zusätzliche Kurzpausen in einer täglichen Gesamtdauer bis zu etwa 20 Minuten bei (Büro-)Tätigkeiten, die nicht mit Kundenverkehr verbunden sind, in der Wirtschaft toleriert, sodass diese Gruppe von Arbeitnehmern nicht auf ein besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen und deshalb nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist. Zusätzliche Pausen beeinflussen aber den Arbeitsablauf im Hinblick auf deren Länge, zeitliche Lagerung, Vorhersehbarkeit etc in ganz unterschiedlicher Weise und stellen an die Toleranz des Arbeitgebers ganz unterschiedliche Anforderungen. Auch bei der Notwendigkeit häufiger Unterbrechungen wegen Aufsuchens der Toilette ist daher immer auf die konkrete Verweisungstätigkeit abzustellen.

Bei den Verweisungstätigkeiten eines Portiers oder Eintrittskartenkassierers wird wegen der regelmäßigen Publikums- bzw Kundenkontakte erwartet, dass der Arbeitsplatz durchgängig besetzt ist, weshalb stündliche Toilettengänge und die damit einhergehende stündliche Unterbrechung der Arbeit auch nur für wenige Minuten zu einer massiven Störung des Arbeitsablaufs führen; eine Verweisung auf diese Tätigkeiten ist daher nicht zulässig.