08.09.2014 Zivilrecht

OGH: Telekommunikations-AGB (Umstellung auf elektronische Rechnungen)

Das Wahlrecht der Kunden nach § 100 Abs 1 TKG steht einer vom Unternehmer einseitig mit Vertragsformblatt vorgenommenen Umstellung der Abrechnung von Papier- auf elektronische Rechnung auch dann entgegen, wenn Kunden diese Umstellung durch einen Widerspruch abwenden können; wenn schon bei einem Neuabschluss der Kunde zu wählen hat und nicht auf einen Widerspruch gegen eine vom Anbieter vorgegebene Rechnungsmodalität verwiesen ist, muss dies umso mehr gelten, wenn bei einem schon laufenden Vertrag auf eine bestimmte Art abgerechnet wurde; es ist kein Grund erkennbar, weshalb hier - anders als bei Neuabschlüssen - eine einseitige Festlegung durch den Anbieter mit einer bloßen Widerspruchsmöglichkeit des Kunden zulässig sein sollte


Schlagworte: Telekommunikationsrecht, Konsumentenschutzrecht, Entgeltnachweis, elektronische Rechnung
Gesetze:

§ 100 TKG, § 28 KSchG

GZ 4 Ob 117/14f, 17.07.2014

 

OGH: Die Änderung der Bedingungen verstößt im Ergebnis gegen § 100 Abs 1 TKG idF BGBl I 2011/102.

 

(a) Nach dieser Bestimmung muss der Kunde eines Telekommunikationsunternehmens

 

„[...] bei Vertragsschluss […] zwischen einer Rechnung in elektronischer oder Papierform wählen können. Die Möglichkeit des Teilnehmers, eine unentgeltliche Rechnung in Papierform zu erhalten, darf vertraglich nicht ausgeschlossen werden.“

 

Diese Regelung soll nach den EB zur RV sicherstellen, dass der Teilnehmer „nicht gegen seinen Willen mit einer bestimmten Rechnungsform konfrontiert wird“. Diese Zielsetzung würde unterlaufen, wenn der Unternehmer trotz einer ausdrücklich getroffenen Wahl oder einer bestehenden Praxis einseitig eine Änderung der Rechnungsmodalitäten vorsehen könnte, der der Kunde ausdrücklich widersprechen müsste.

 

(b) Zwar hat das Erstgericht festgestellt, dass die Umstellung im konkreten Fall nicht bei solchen Kunden erfolgte, die sich - nach dem Vorbringen der Beklagten im Jahr 2012, also nach Inkrafttreten des § 100 Abs 1 TKG idgF - ausdrücklich für eine Papierrechnung entschieden hatten. Daraus ist zwar abzuleiten, dass die Umstellung im konkreten Fall nicht griff, soweit Kunden der Beklagten nach Inkrafttreten von § 100 Abs 1 TKG eine ausdrückliche Wahl iS dieser Bestimmung getroffen hatten. Die dieser Regelung zugrunde liegende Wertung erfasst aber auch Altverträge, bei denen bisher im Einvernehmen zwischen den Parteien auf Papier abgerechnet wurde. Denn wenn schon bei einem Neuabschluss der Kunde zu wählen hat und nicht auf einen Widerspruch gegen eine vom Anbieter vorgegebene Rechnungsmodalität verwiesen ist, muss dies umso mehr gelten, wenn bei einem schon laufenden Vertrag auf eine bestimmte Art abgerechnet wurde. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb hier - anders als bei Neuabschlüssen - eine einseitige Festlegung durch den Anbieter mit einer bloßen Widerspruchsmöglichkeit des Kunden zulässig sein sollte.

 

(c) Diese Auslegung von § 100 Abs 1 TKG hat einen sachlichen Hintergrund. Der OGH hat bereits mehrfach festgehalten, dass eine elektronische Rechnung gegenüber einer Papierrechnung - trotz zweifellos bestehender Vorteile - auch Nachteile aufweist. Nach der Wertung des § 100 Abs 1 TKG liegt es am Kunden, diese Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen und danach eine Entscheidung zu treffen. Der Versuch der Beklagten, diese Entscheidung vorwegzunehmen und einen allenfalls widerstrebenden Kunden zu einer aktiven Ablehnung zu verpflichten, steht dem diametral entgegen.

 

Da die Vorgangsweise der Beklagten gegen § 100 Abs 1 TKG verstieß, kommt es auf die - vom Berufungsgericht bejahte - Verletzung von § 25 Abs 3 TKG nicht an. Dazu ist daher nicht weiter Stellung zu nehmen.