06.01.2015 Zivilrecht

OGH: Zur Radwegbenützungspflicht iZm der Blendwirkung durch asymmetrisches Abblendlicht

Allein die verstärkte Blendwirkung entgegenkommender Fahrzeuge ist nicht geeignet, die Verpflichtung zur Benützung eines nur auf einer Seite einer Straße in beide Richtungen befahrbaren Radwegs aufzuheben


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Straßenverkehrsrecht, Benützung der Radfahranlage
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 68 StVO

GZ 2 Ob 121/14d, 23.10.2014

 

OGH: Dass der lediglich auf einer Seite der B 66 verlaufende Geh- und Radweg im vorliegenden Fall in beide Fahrtrichtungen befahren werden konnte, ergibt sich aus den Feststellungen über die Bodenmarkierungen und wird von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt.

 

Der OGH hat bereits in 2 Ob 179/59 = ZVR 1959/239; RIS-Justiz RS0075444 ausgesprochen, dass die Bestimmung, wonach einspurige Fahrräder, soweit Radwege oder Radfahrstreifen vorhanden sind, nur diese Wege zu befahren haben, selbstverständlich voraussetze, dass sich diese Wege und Streifen in einem Zustand befänden, der eine gefahrlose Benützung gewährleiste. Diese Pflicht wurde im dortigen Fall infolge des durch eine Wasserlache aufgeweichten Grundes verneint.

 

Diese Judikatur wurde in 2 Ob 306/64 = ZVR 65/107 fortgesetzt und die Benützungspflicht eines vereisten Radwegs verneint (vgl auch RIS-Justiz RS0026911).

 

In der auch von der Revision angesprochenen Entscheidung 2 Ob 34/93 wies der OGH auf die grundsätzliche Pflicht der Radfahrer, auf Straßen mit Radwegen diese zu benützen, hin. Die Frage, wann ein gefahrloses Benützen eines Radwegs nicht mehr möglich sei, hänge auch von der Art des verwendeten Verkehrsmittels ab. Während das Befahren eines Radwegs, auf dem sich Rollsplitt befinde, mit einem Mountainbike eher ungefährlich sein werde, sei die Benützung durch ein Rennrad mit schmalen Reifen gefährlich. Im dortigen Fall eines Rennrads wurde eine Verpflichtung zur Benützung des Radwegs, auf dem sich immer wieder Rollsplitt befand, auch wenn gerade an der Unfallstelle kein Rollsplitt vorhanden war, nicht verlangt. Der Radfahrer müsse auch während seiner Fahrt nicht ständig den Zustand des Radwegs beobachten und bei gefahrloser Benützbarkeit auf den Radweg wechseln und diesen auch nur für kurze Strecken benützen.

 

Zuletzt hatte sich der erkennende Senat in der Entscheidung 2 Ob 2429/96m zu einem Fall zu äußern, in dem auf der einen Seite der Straße ein Radweg und auf der anderen Seite ein Radfahrstreifen vorhanden war.

 

Soweit die Revisionswerberin im hier zu beurteilenden Fall auf den Zustand die Radwegs verweist, sind ihr mit den Vorinstanzen die negativen Feststellungen des Erstgerichts zur behaupteten Unzumutbarkeit der Benützung des Wegs entgegenzuhalten. Das Erstgericht konnte insbesondere nicht feststellen, dass der Radweg in einem unzumutbar schlechten, gefährlichen Zustand gewesen wäre. Von einem Entfall der Verpflichtung zur Benützung des Radwegs im Hinblick auf dessen gefährlichen Zustand kann daher nicht ausgegangen werden, auch wenn die Klägerin dort mitunter auf Lenkerhöhe in den Luftraum des Radwegs einwachsende Brennesseln und (teils feuchtes) Laub am Boden bemerkt hatte, bzw zweimal Reifenplatzer wegen Glassplitter erleiden musste.

 

Sowohl feuchtes Laub als auch Glassplitter sind keine Spezifika von Radwegen und können genauso gut auf sonstigen Fahrbahnen zu finden sein. Die Gefahr solcher Verunreinigungen bzw Gegenstände auf dem Radweg besteht immer und würde - insb in Zusammenhalt mit der referierten Judikatur über die mangelnde Beobachtungs- und Wechselpflicht der Radfahrer - daher die Verpflichtung zur Benützung des Radwegs regelmäßig aufheben.

 

Was die Blendwirkung der bei Dunkelheit der Klägerin entgegenkommenden Fahrzeuge betrifft, ist der Revisionswerberin zuzugestehen, dass diese im Hinblick auf den teils geringen Abstand des Radwegs zur Straße und der asymmetrischen Ausgestaltung des Abblendlichts der Fahrzeuge zu einer stärkeren Blendung der in der konkreten Situation den Radweg benutzenden Radfahrer führt, als dies bei der Benützung der Fahrbahn der Fall wäre.

 

Allerdings kann auch eine Blendung der den rechten Fahrstreifen der Fahrbahn benutzenden Radfahrer durch entgegenkommende Fahrzeuge keineswegs ausgeschlossen werden. Überdies erlegt der Gesetzgeber den Radfahrern die im § 68 StVO angeführten Verpflichtungen nicht nur zum Schutz der übrigen Straßenbenützer, sondern auch im Interesse ihrer eigenen Sicherheit auf.

 

Wägt man daher hier die Vorteile der Benützung des Radwegs im Hinblick auf die Sicherheit sowohl der Radfahrer als auch der übrigen die B 66 benutzenden Verkehrsteilnehmer und die Tatsache, dass die Radfahrer auch bei Benützung der Fahrbahn von einer Blendwirkung entgegenkommender Fahrzeuge nicht völlig verschont werden, gegen den Nachteil der verstärkten Blendung, der die Radfahrer bei Benützung des Radwegs in der konkreten Situation ausgesetzt sind, gegeneinander ab, schlägt dies zugunsten einer Verpflichtung zur Benützung des Radwegs aus.