27.04.2015 Zivilrecht

OGH: § 1320 ABGB – Tierhalterhaftung betreffend Kuhweide (hier: Verletzung einer einen Jagdhund mitführenden Wanderin durch Mutterkuh)

Es trifft zwar nicht zu, dass jedermann weiß, dass angeleinte Hunde auf Almwanderungen Rinder zu aggressivem Verhalten reizen; hier wurde aber durch das angebrachte Warnschild gerade auf diese Gefahr hingewiesen, sodass sich die Klägerin auf ihre diesbezügliche allfällige Unkenntnis nicht berufen könnte; überdies ist auch von Hundehaltern zu verlangen, dass sie über die mit dem Halten von Hunden (der jeweiligen Rasse) typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen (§ 1320 ABGB)


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Haftung des Tierhalters, Kuhweide, Mutterkuh, Jagdhund
Gesetze:

 

§ 1320 ABGB

 

GZ 2 Ob 25/15p, 18.02.2015

 

OGH: Ob dem Halter des Tieres nach den jeweiligen Gegebenheiten der Nachweis gelungen ist, die objektiv gebotene und zumutbare Sorgfalt eingehalten zu haben, ist eine im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts gelegene Einzelfallbeurteilung, der - außer bei einer auffallenden Fehlbeurteilung - keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt.

 

Das Berufungsgericht hat die wesentlichen Grundsätze der Tierhalterhaftung (betreffend eine Kuhweide) zutreffend dargestellt.

 

Weiters spielt nach der Rsp die Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung bei der Prüfung, welche Verwahrung erforderlich ist, eine Rolle: jede Möglichkeit einer Schädigung muss aber nicht auszuschließen sein. Die im allgemeinen Interesse liegende Landwirtschaft darf nicht durch Überspannung der Anforderungen unbillig belastet werden.

 

Die Verneinung der Haftung durch das Berufungsgericht hält sich durchaus im Rahmen der Rsp, insbesondere der beiden zitierten Entscheidungen 3 Ob 110/07h und 5 Ob 5/13s. Dass selbst im Fall, dass bereits vorher einschlägige Unfälle passiert sind, jedenfalls ein Einzäunen der Kühe bzw des Wegs geboten wäre, lässt sich aus der Entscheidung 3 Ob 110/07h nicht ableiten. Dort wurde dem beklagten Rinderhalter die Unterlassung eines Warnschilds mit praktisch demselben Wortlaut, wie er hier festgestellt wurde, vorgeworfen; im Übrigen wurde aber auf die „sonst ortsübliche freie Haltung von Rindern auf der Alm (also ohne Einzäunung oder sonstige Maßnahmen)“ hingewiesen.

 

Den Argumenten der Revisionswerberin ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

 

Dass die gegenständlichen Kühe an sich (also ohne Begegnung mit Hunden) „aggressive Tiere“ sind, steht nicht fest.

 

Der OGH hat zwar in der Entscheidung 3 Ob 110/07h ausgeführt, es treffe nicht zu, dass jedermann wisse, dass angeleinte Hunde auf Almwanderungen Rinder zu aggressivem Verhalten reizten. Ein solches Wissen sei nicht notorisch.

 

Hier wurde aber durch das angebrachte Warnschild gerade auf diese Gefahr hingewiesen, sodass sich die Klägerin auf ihre diesbezügliche allfällige Unkenntnis nicht berufen könnte. Überdies ist auch von Hundehaltern zu verlangen, dass sie über die mit dem Halten von Hunden (der jeweiligen Rasse) typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen (§ 1320 ABGB).

 

Es muss mit dem Warnschild nicht noch zusätzlich - wie die Revisionswerberin vermeint - auf die „Lebensgefahr“ hingewiesen werden. Aus dem festgestellten Warnschild wird auf die von den Mutterkühen ausgehende Gefahr ausreichend hingewiesen. Dass ein Angriff einer ausgewachsenen Kuh oder gar mehrerer solcher Kühe unter Umständen lebensgefährlich sein kann, versteht sich aufgrund deren von der Revisionswerberin selbst ins Treffen geführten „gewaltigen Erscheinung“ mit einem Gewicht von ca 750 kg je Kuh von selbst.

 

Die Rsp, wonach die Verwahrung eines Tieres in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße besonders sorgfältig erfolgen muss, ist hier nicht einschlägig, weil der Wanderweg, der nach den Feststellungen ein landwirtschaftlicher Bringungsweg ist, keine stark frequentierte Straße ist.