05.06.2015 Zivilrecht

OGH: Zur Frage einer analogen Anwendung des § 364 Abs 3 ABGB bzw Art III ZivRÄG 2004 auf Streitigkeiten zwischen Mietern von Nachbarwohnungen wegen Bepflanzungen auf Terrassen

§ 364 Abs 3 ABGB dient nur der Abwehr von Immissionen ausgehend von mit dem Boden verwurzelten Bäumen und Pflanzen


Schlagworte: Nachbarrecht, negative Immissionen, Bepflanzungen auf Terrassen
Gesetze:

 

§ 364 ABGB

 

GZ 10 Ob 58/14y, 24.02.2015

 

OGH: Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. Nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle kann der Grundeigentümer ebenso einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das Maß des Abs 2 überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt.

 

In den Gesetzesmaterialien wird in diesem Zusammenhang zur geltenden Rechtslage ausgeführt, dass sich der Nachbar gegen fremde Bäume und Pflanzen nur insoweit zur Wehr setzen kann, als er herüberhängende Äste abschneiden und herüberwachsende Wurzeln ausreißen kann. Andere Beeinträchtigungen durch fremde Pflanzen muss er dagegen dulden. In Hinkunft soll dem von negativen Immissionen benachbarter Bäume und anderer Pflanzen betroffenen Grundeigentümer unter bestimmten Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch gegen seinen Nachbarn zustehen. Es liegt dann beim Störer, also zB beim Eigentümer der Gewächse, dem gerichtlichen Urteil entsprechend nachzukommen, sei es, dass er ( im Regelfall) die Pflanze „ausästet“ oder auf das noch tolerable Maß zurückschneidet, sei es, dass er sie versetzt, sei es, dass er sie als „ultima ratio“ überhaupt beseitigt. Die §§ 421 und 422 ABGB sollen die Rechtsfragen rund um Bäume und Gewächse auf fremden Grund nicht mehr ausschließlich und exklusiv regeln.

 

Nach Art III ZivRÄG 2004, BGBl I 2003/91, hat ein Nachbar vor der Einbringung einer Klage iZm dem Entzug von Licht oder Luft durch fremde Bäume oder Pflanzen (§ 364 Abs 3 ABGB) zur gütlichen Einigung eine Schlichtungsstelle zu befassen, einen Antrag nach § 433 Abs 1 ZPO zu stellen oder - sofern der Eigentümer der Bäume oder Pflanzen damit einverstanden ist - den Streit einem Mediator zu unterbreiten. Die Klage ist nur zulässig, wenn nicht längstens innerhalb von 3 Monaten ab Einleitung des Schlichtungsverfahrens, ab Einlangen des Antrags bei Gericht oder ab Beginn der Mediation eine gütliche Einigung erzielt worden ist. Der Kläger hat der Klage eine Bestätigung der Schlichtungsstelle, des Gerichts oder des Mediators darüber anzuschließen, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte.

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs aufgrund eines Anspruchs nach § 364 Abs 3 ABGB ist demnach der Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung im vorgenannten Sinn und das Verstreichen eines Zeitraums von 3 Monaten ab dem jeweils maßgebenden Zeitpunkt ohne gütliche Einigung.

 

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist.

 

Die Klägerin begehrt die Unterlassung von Immissionen ausgehend von vor den Fenstern der von ihr angemieteten Räumlichkeiten aufgestellten beweglichen Trögen und der darin eingesetzten Pflanzen, ohne sich dabei auf § 364 Abs 3 ABGB zu berufen. Zu prüfen ist daher, ob sie - wie von den Vorinstanzen angenommen - inhaltlich einen Anspruch nach § 364 Abs 3 ABGB geltend macht, ob also der Klagssachverhalt dieser Bestimmung unterstellt werden kann. Dies hängt letztlich davon ab, ob der in § 364 Abs 3 ABGB verwendete Begriff „Pflanzen“ auch nicht mit dem Boden verwurzelte, in Töpfen oder Trögen eingesetzte Pflanzen umfasst.

 

Auch wenn § 364 Abs 3 ABGB allgemein von Bäumen und sonstigen Pflanzen spricht, daher rein nach dem Wortlaut darunter auch Topf-, Kübelpflanzen oder auch Pflanzen in Trögen wie im vorliegenden Fall verstanden werden könnten, ergibt sich aus dem Zweck der Bestimmung, dass sie nur auf mit dem Erdreich verwurzelte Pflanzen Anwendung findet.

 

Da das Gesetz ausschließlich auf Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft ausgehend von Bäumen und anderen Pflanzen abstellt, beinhaltet es zugleich eine Abgrenzung einerseits gegenüber unbeweglichen Störelementen, die keiner natürlichen Wachstumsveränderung unterliegen (zB Gebäuden) sowie andererseits gegenüber allen beweglichen Objekten, jedenfalls soweit es sich nicht um Pflanzen handelt.

 

Allerdings gibt es keine Grundlage dafür, verstellbare Pflanzen anders zu behandeln als etwa einen Paravent, einen künstlichen Sichtschutz oder sonst an der Liegenschaftsgrenze aufgestellte Objekte. Eine Differenzierung ausschließlich über den Begriff „Pflanze“ würde etwa dazu führen, dass ein jahreszeitlich bedingt leerer Pflanzentrog nicht § 364 Abs 3 ABGB unterliegt, ein begrünter dagegen schon.

 

Dagegen birgt gerade der Umstand, dass im Boden verwurzelte Pflanzen nicht ohne weiteres umgestellt werden können, sondern Beeinträchtigungen, die von ihnen ausgehen, nur durch Eingriff in die Sache selbst, etwa durch Rückschnitt, behoben werden können, das besondere Konfliktpotential, dem der Gesetzgeber durch die Regelung des § 364 Abs 3 ABGB und das vorangehende außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren begegnen wollte.

 

Die bereits oben zitierten Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen zur RV zeigen, dass der Gesetzgeber ganz offensichtlichen von diesem eingeschränkten Verständnis des Begriffs „Pflanzen“ ausgegangen ist. Diese Auslegung wird auch durch den Verweis des § 364 Abs 3 ABGB auf die unberührt bleibenden Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutzbestimmungen, die sich im Allgemeinen auf mit dem Boden verwurzelte Pflanzen beziehen, bestätigt.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass § 364 Abs 3 ABGB nur der Abwehr von Immissionen ausgehend von mit dem Boden verwurzelten Bäumen und Pflanzen dient.

 

Damit kann der in der Klage dargelegte Sachverhalt nicht § 364 Abs 3 ABGB unterstellt werden, weshalb auch kein zwingend vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Die Zurückweisung der Klage erfolgte daher zu Unrecht. Inwieweit der behauptete Anspruch grundsätzlich berechtigt ist, ist in diesem Stadium des Verfahrens nicht zu prüfen.