03.08.2015 Zivilrecht

OGH: § 364 Abs 2 ABGB (hier: Stadtmietwohnung in unmittelbarer Nähe zu Proberäumen für Heavy-Metal- und Hardrock-Gruppen)

Hier liegt die Wohnung der Klägerin zwar im städtischen, dicht verbauten Ballungsgebiet des 6. Wiener Gemeindebezirks; sie liegt aber doch in einem ruhigerem Innenhof; die Wohnung der Klägerin ist darüber hinaus noch dadurch gekennzeichnet, dass sie sich in unmittelbar „über Eck“ angrenzender Lage zu den lärmemittierenden Proberäumen der beklagten Partei befindet; selbst wenn man in diesem Fall vom ortsüblichen Lärm im städtischen Ballungsgebiet durch Verkehr etc ausginge, ist bei diesen örtlichen Gegebenheiten aber der Lärm, der von den stundenlangen Proben diverser Heavy-Metal- und Hardrockgruppen ausgeht, nicht als ortsüblich anzusehen und gemessen an den sonstigen ortsüblichen Lärmimmissionen als besonders „lästig“ iSd Rsp einzustufen


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, Musikproberäume, Mietwohnung, ortsüblich, lästig, Geräuschimmission
Gesetze:

 

§ 364 ABGB

 

GZ 2 Ob 166/14x, 08.06.2015

 

OGH: Gem § 364 Abs 2 ABGB sind Immissionen soweit unzulässig, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.

 

Wie das ortsübliche Ausmaß der Immission ermittelt wird, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls wie die Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung. Auch zur Relevanz der „Lästigkeit“ des Lärms bei Immissionen, insbesondere auch iZm Musikprobenlärm gibt es bereits oberstgerichtliche Rsp. Demnach ist iSd Entscheidung des Berufungsgerichts sehr wohl nicht nur die objektiv messbare Lautstärke, sondern auch die subjektive „Lästigkeit“ maßgeblich, und zwar gemessen am Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstücks. Für diese „Lästigkeit“ ist va auf die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche abzustellen.

 

Die Begriffe „örtlich“ und „ortsüblich“ iSd § 364 Abs 2 ABGB sind nicht iSe politischen Gemeinde zu verstehen, es ist aber auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen, sondern auf die unmittelbare Umgebung der störenden und der gestörten Liegenschaft. Die „örtlichen Verhältnisse“ werden teilweise auch weiträumiger verstanden, als Gebietsteile bzw Stadtteile („Viertel“) mit annähernd gleichen Lebensbedingungen.

 

Allerdings besteht nach der Jud ein Untersagungsanspruch auch dann, wenn ein Teil einer Liegenschaft, ja selbst nur eine Wohnung oder ein Teil einer solchen wegen ihrer besonderen Lage zum Nachbargrundstück durch Einwirkungen von diesem derart beeinträchtigt wird, dass die Beeinträchtigung nach den örtlichen Verhältnissen das gewöhnliche Ausmaß übersteigt.

 

Hier liegt die Wohnung der Klägerin zwar im städtischen, dicht verbauten Ballungsgebiet des 6. Wiener Gemeindebezirks; sie liegt aber doch in einem ruhigerem Innenhof. Die Wohnung der Klägerin ist darüber hinaus noch dadurch gekennzeichnet, dass sie sich in unmittelbar „über Eck“ angrenzender Lage zu den lärmemittierenden Proberäumen der beklagten Partei befindet. Selbst wenn man in diesem Fall vom ortsüblichen Lärm im städtischen Ballungsgebiet durch Verkehr etc ausginge, ist bei diesen örtlichen Gegebenheiten aber der Lärm, der von den stundenlangen Proben diverser Heavy-Metal- und Hardrockgruppen ausgeht, nicht als ortsüblich anzusehen und gemessen an den sonstigen ortsüblichen Lärmimmissionen als besonders „lästig“ iSd aufgezeigten Jud einzustufen.

 

Auch wenn der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens nicht all zu eng ausgelegt werden darf, und - wenn auch die Aufnahme des zulässigen Geräuschpegels im Urteilsspruch eines Unterlassungsbegehrens häufig ist - nach einem Teil der Rsp ein Unterlassungsbegehren auch dann als hinreichend bestimmt angesehen wird, wenn - ohne Angabe von Messeinheiten - lediglich die Unterlassung störenden Lärms aufgetragen wird, so hat hier das Berufungsgericht bei der Umformulierung des Spruchs das modifizierte Klagebegehren, in dem lediglich eine 25 dB (A) überschreitende Geräuschimmission zu untersagen beantragt wurde, unberücksichtigt gelassen. Mögen daher auch iSd Ausführungen des Berufungsgerichts für die Klägerin besonders tieffrequente Schallimmissionen - ausgehend von E-Bass, Schlagzeug oder ähnlichen Instrumenten - spezifisch beeinträchtigend sein, so sind dennoch auch insofern nur Geräuschimmissionen, die den von der Klägerin beantragten Pegelwert überschreiten, zu untersagen (§ 405 ZPO).

 

Ob aber dieser Pegelwert für eine Untersagung heranzuziehen ist, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, weil nach den Feststellungen entsprechend der ÖAL-Richtlinie Pegelspitzen von 10 dB über dem festgestellten Umgebungslärm zumutbar sind, bislang aber nicht abschließend feststeht, wie hoch der Umgebungslärm tatsächlich ist. Insoweit erweist sich daher die Beweisrüge der beklagten Partei in der Berufung entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts als entscheidungsrelevant und wird daher im fortgesetzten Verfahren vom Berufungsgericht zu behandeln sein, um beurteilen zu können, ob der von der Klägerin beantragte Wert, ab dessen Überschreitung Geräuschimmissionen untersagt werden sollen, tatsächlich heranzuziehen ist.