24.08.2015 Wirtschaftsrecht

OGH: Unterbrechung des Verfahrens – zur Neuregelung des § 156 Abs 3 PatG idF Patentrechtsnovelle 2005

Ungeachtet der Veränderung des Prüfungsmaßstabs durch die Patentrechtsnovelle 2005 hat sich an der zwingenden Unterbrechungsanordnung (nunmehr) bei Wahrscheinlichkeit der Nichtigkeit des dem Streit zugrundeliegenden Patents nichts geändert; die erstgerichtliche Ablehnung des von der Beklagten gestellten Unterbrechungsantrags ist daher mit Rekurs anfechtbar


Schlagworte: Patentrecht, Vorfragen, Unterbrechungsantrag, Rechtsmittel
Gesetze:

 

§ 156 PatG

 

GZ 4 Ob 41/15f, 16.06.2015

 

OGH: Im Hinblick auf die bisherige Rsp zur zwingenden Verfahrensunterbrechung nach § 156 Abs 3 PatG, die auf der Fassung vor der Novelle BGBl I 2004/149 beruht, wirft die rekursgerichtliche Rechtsansicht zur novellierten Fassung des § 156 Abs 3 PatG eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts auf.

 

Nach § 192 Abs 2 ZPO können die nach den §§ 187-191 ZPO erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Die Abweisung eines Unterbrechungsantrags ist daher nach stRsp grundsätzlich unanfechtbar. Anderes gilt nur dann, wenn die Unterbrechung zwingend vorgeschrieben ist. Dies ist hier aber - auch nach der mit BGBl I 2004/149 geänderten Rechtslage - der Fall.

 

Nach § 156 Abs 1 PatG kann die Gültigkeit eines Patents und damit das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen als Vorfrage des Verletzungsstreits beurteilt werden. Die endgültige Entscheidung über den Bestand des Patents fällt jedoch in die Zuständigkeit des Österreichischen Patentamts (und der diesem im Nichtigkeitsverfahren übergeordneten Gerichtsinstanzen). Weicht deren Beurteilung von jener des Gerichts im vorangegangenen Rechtsstreit ab, so bildet dies nach § 156 Abs 6 PatG einen Wiederaufnahmsgrund. § 156 Abs 3 PatG ordnet eine (allfällige) Unterbrechung des Verfahrens an, wenn ein Urteil davon abhängt, ob ein Patent nichtig ist. Auch diese Bestimmung sichert somit die Zuständigkeit des Patentamts (und der diesem im Nichtigkeitsverfahren übergeordneten Gerichte) für die endgültige Entscheidung über den Bestand des Patents.

 

Seit der PatG-Novelle 1977 ist die Unterbrechung des Verfahrens nicht mehr in das Ermessen des Gerichts gestellt. Durch die Patentrechtsnovelle 1984, BGBl 1984/234 wurde diese Bestimmung nur insofern eingeschränkt, als eine Unterbrechung dann nicht zu erfolgen hat, wenn die Nichtigkeit offenbar zu verneinen ist. Der erkennende Senat ging daher in stRsp davon aus, dass die Unterbrechung des Verfahrens nicht bloß in das Ermessen des Gerichts gestellt und gegen die Abweisung des Unterbrechungsantrags der (Revisions-)Rekurs zulässig ist.

 

Die Neuregelung des § 156 Abs 3 PatG idF Patentrechtsnovelle 2005, BGBl I 2004/149, weist (nach den erläuternden Bemerkungen zur RV) den Gerichten - zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen - eine erweiterte Prüfungsbefugnis betreffend die Vorfrage der Nichtigkeit des Patents zu. Das Gericht hat die Frage selbstständig zu prüfen, wobei es das Patentamt um ein schriftliches Gutachten ersuchen kann. Geht aus dem Gutachten, das von der technischen Abteilung aufgrund der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Schriftstücke zu erstellen ist, hervor, dass die Nichtigkeit des Patents wahrscheinlich ist, hat das Gericht das Verletzungsverfahren zu unterbrechen. Dieses Gutachten hat den Stellenwert eines Sachverständigengutachtens und ist daher für ein Nichtigkeitsverfahren nicht präjudiziell. Das Gericht ist nicht verpflichtet, im Rahmen des Beweisverfahrens ein Gutachten des Patentamts anzufordern. Die Beurteilung der schwierigen Frage der Gültigkeit eines Patents durch ein fachkundiges Mitglied des Patentamts gibt einem solchen Gutachten aber eine besondere Aussagekraft.

 

Zwar wurde durch die Novellierung des § 156 Abs 3 PatG der Prüfungsmaßstab für das Gericht des Verletzungsstreits verändert, am zwingenden Charakter der Unterbrechungsvorschrift hat sich aber nichts geändert („Hält das Gericht die Nichtigkeit des Patents für wahrscheinlich, so hat es das Verfahren zu unterbrechen“). Für die weiterhin zwingende Unterbrechung - mit den Konsequenzen für die Anfechtbarkeit eines die Unterbrechung ablehnenden Beschlusses, tritt auch Burgstaller (Patentrecht 234) ein. Die gegenteilige Ansicht von Weiser (Patentgesetz 416) ist nicht näher begründet.

 

Ungeachtet der Veränderung des Prüfungsmaßstabs durch die Patentrechtsnovelle 2005 hat sich an der zwingenden Unterbrechungsanordnung (nunmehr) bei Wahrscheinlichkeit der Nichtigkeit des dem Streit zugrundeliegenden Patents nichts geändert. Die erstgerichtliche Ablehnung des von der Beklagten gestellten Unterbrechungsantrags ist daher mit Rekurs anfechtbar.

 

Dem Rekursgericht war daher die inhaltliche Behandlung des Rekurses aufzutragen.