28.09.2015 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob sich ein im Testament übergangener Noterbe, dem von einem Testamentserben dessen Erbrecht geschenkt wurde, diese Schenkung auf seinen Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen muss

Nach Ansicht des OGH ist die Erbschaftsschenkung nicht unter § 787 Abs 1 ABGB zu subsumieren, weil hier der Grund, weswegen der Noterbe etwas aus der Verlassenschaft erhält, gerade nicht die (darauf eben nicht gerichtete) letztwillige Verfügung des Erblassers ist, sondern (ausschließlich) der Schenkungswille des Testamentserben


Schlagworte: Erbrecht, Erbschaftsschenkung, Pflichtteil, Anrechnung
Gesetze:

 

§ 787 ABGB

 

GZ 2 Ob 102/15m, 06.08.2015

 

OGH: Gegenstand des Veräußerungsvertrags beim sog Erbschaftskauf ist das Erbrecht als solches. Der Erbschaftskäufer wird Gesamtrechtsnachfolger des Erben und tritt an dessen Stelle in das Verlassenschaftsverfahren ein. Er gibt die Erbantrittserklärung ab; an ihn erfolgt die Einantwortung. Dies gilt auch für die Erbschaftsschenkung, die im Gesetz zwar nicht ausdrücklich geregelt ist, auf die aber die Vorschriften über den Erbschaftskauf anzuwenden sind.

 

Weder in der Rsp noch in der Lehre gibt es - soweit ersichtlich - Stellungnahmen zur Frage, ob aus dieser zitierten Rsp zu folgern ist, dass sich die übergangenen Noterben das aus einer Erbschaftsschenkung Erlangte auf den Pflichtteil anrechnen lassen müssen.

 

Nach § 787 Abs 1 ABGB wird „alles, was die Noterben durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten, bei Bestimmung ihres Pflichtteiles in Rechnung gebracht“.

 

Weiß in Klang III2 921 f führt zu dieser Gesetzesstelle aus, es komme nur darauf an, ob und gegebenenfalls wieviel dem Pflichtteilsberechtigten durch die letztwillige Verfügung aus dem Nachlass zugewiesen worden sei. Nur dasjenige sei anzurechnen, was der Pflichtteilsberechtigte „wirklich“ aus dem Nachlass erhalte. Damit sei die tatsächliche durch die letztwillige Verfügung getroffene Vermögensverschiebung gemeint.

 

Scheuba in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge (2010), § 9 Rz 66, vertritt die Ansicht, der Noterbe müsse sich zunächst nach § 787 ABGB alles, was er vom Erblasser auf welche Art auch immer letztwillig (durch Legat, Erbvertrag oder andere Verfügungen des Erblassers, wie zB nach hM auch durch eine Schenkung auf den Todesfall) aus der Verlassenschaft erhält, auf den Pflichtteil anrechnen lassen.

 

Beide Autoren haben offenbar nicht an den hier vorliegenden Fall (auch) eines Erwerbs durch Erbschaftsschenkung gedacht. Bei Scheuba wird dies dadurch deutlich, dass sie bei den im Klammerausdruck angeführten Beispielen den Erbschaftskauf oder die Erbschaftsschenkung nicht erwähnt.

 

Jud, Der Erbschaftskauf-Verfügungen des Erben über sein Recht (1998), behandelt die hier verfahrensgegenständliche Thematik (und Problematik) der Erbschaftsschenkung ebenfalls nicht.

 

Nach Ansicht des OGH ist die Erbschaftsschenkung ungeachtet der oben zitierten Rsp nicht unter § 787 Abs 1 ABGB zu subsumieren, weil hier der Grund, weswegen der Noterbe etwas aus der Verlassenschaft erhält, gerade nicht die (darauf eben nicht gerichtete) letztwillige Verfügung des Erblassers ist, sondern (ausschließlich) der Schenkungswille des Testamentserben.

 

Die Richtigkeit dieser Überlegung wird auch dadurch deutlich, dass wohl niemand das aus einem Erbschaftskauf (mit angemessenem Kaufpreis) Erworbene anrechnen würde. Ebenso schiede eine Anrechnung aus, wenn der Testamentserbe nach Einantwortung das dadurch Erworbene den übergangenen Noterben schenkte.

 

Anderes würde nur dann gelten, wenn der von den Parteien der Erbschaftsschenkung damit verfolgte Zweck die Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs wäre.