09.11.2015 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Nichttragen einer Motorradschutzkleidung ein Mitverschulden des bei einem Unfall verletzten Motorradfahrers begründen kann

Ein einsichtiger und vernünftiger Motorradfahrer wird schon aus Selbstschutz dann, wenn er vor Antritt der Fahrt in Kauf nimmt, während dieser - unabhängig von ihrer Länge und Dauer - auch mit hohen Geschwindigkeiten zu fahren, Motorradschutzkleidung tragen; diese Nachlässigkeit ist dem Kläger daher auch unter den konkreten Umständen, dass er von der Arbeitsstätte nach Hause nur 5 km zurückzulegen hatte, als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen (§ 1304 ABGB), was zu einer Kürzung seines - allerdings nur das Schmerzengeld betreffenden - Anspruchs führt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Schmerzengeld, Nichttragen einer Motorradschutzkleidung, Mitverschulden
Gesetze:

 

§ 1325 ABGB, § 1304 ABGB

 

GZ 2 Ob 119/15m, 12.10.2015

 

OGH: Da es derzeit keine gesetzliche Norm gibt, die beim Motorradfahren das Tragen von Schutzkleidung (abgesehen vom Sturzhelm, vgl § 106 Abs 7 KFG) vorschreibt, kann nach den Grundsätzen der Entscheidung 2 Ob 99/14v ein Mitverschulden des Klägers nur dann bejaht werden, wenn sich ein allgemeines Bewusstsein der beteiligten Kreise in Österreich gebildet hat, dass (hier: [auch] bei kurzen Überlandfahrten) ein einsichtiger und vernünftiger Motorradfahrer wegen der erhöhten Eigengefährdung entsprechende Motorradschutzkleidung trägt. Dies ist bei lebensnaher Einschätzung jedenfalls zu bejahen, wird doch ein solcher Motorradfahrer schon aus Selbstschutz dann, wenn er vor Antritt der Fahrt in Kauf nimmt, während dieser - unabhängig von ihrer Länge und Dauer - auch mit hohen Geschwindigkeiten (wie hier um die 100 km/h oder etwa auf einer Autobahn mit 130 km/h) zu fahren, Motorradschutzkleidung tragen..

 

Es ist daher sachgerecht, auch bei Kurzfahrten mit einem Motorrad, bei denen (zulässigerweise) mit (sehr) hohen Geschwindigkeiten gefahren wird bzw - wie im Ausgangsfall - solche erreicht werden, von einem „allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise“ in Österreich auszugehen, dass ein „einsichtiger und vernünftiger“ Fahrer wegen der erhöhten Eigengefährdung auch eine adäquate Schutzkleidung trägt. Dieses Bewusstsein bestand auch schon 2013, als sich der verfahrensgegenständliche Unfall ereignete. Diese Nachlässigkeit ist dem Kläger daher auch unter den konkreten Umständen, dass er von der Arbeitsstätte nach Hause nur 5 km zurückzulegen hatte, als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen (§ 1304 ABGB), was zu einer Kürzung seines - allerdings nur das Schmerzengeld betreffenden - Anspruchs führt. Das „Motorradschutzbekleidungsmitverschulden“ ist - in analoger Anwendung der Rsp zum Gurt- und Helmmitverschulden nach § 106 Abs 2 und 7 KFG - im Ausmaß von 25 % zu berücksichtigen.