21.12.2015 Zivilrecht

OGH: Zur Frage des nach Anspannungsgrundsätzen zurechenbaren Erwerbseinkommens eines geldunterhaltspflichtigen Elternteils aus einem mit dem Lebensgefährten als Arbeitgeber bestehenden Beschäftigungsverhältnis unter dem Aspekt des Kündigungs- und Entlassungsschutzes nach dem MSchG

Eine Anspannung der Mutter auf das Einkommen aus einer (Teilzeit-)Berufstätigkeit ist nur dann zulässig, wenn die Versorgung des zuletzt geborenen Kindes sichergestellt ist; kommt eine Anspannung auf das Erwerbseinkommen aus einer Vollbeschäftigung schon nach den Umständen des Einzelfalls nicht in Betracht, sind die sich für den Dienstgeber nach den Bestimmungen des MSchG ergebenden Pflichten nicht mehr von Belang


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Anspannung, Mutterschutz, Kündigungs- und Entlassungsschutz
Gesetze:

 

§ 231 ABGB, §§ 10 ff MSchG

 

GZ 1 Ob 83/15k, 22.10.2015

 

OGH: Nach den Bestimmungen des MSchG ist der Dienstgeber verpflichtet, die Dienstnehmerin nach Ablauf des Karenzurlaubs in der gleichen Verwendung weiter zu beschäftigen, zu der sie seinerzeit vertraglich aufgenommen und auch tatsächlich eingesetzt worden war.

 

Die Minderjährige beruft sich auf diese Verpflichtung des Dienstgebers und zielt damit im Ergebnis auf eine Anspannung ihrer Mutter entsprechend einem Einkommen bei einer Vollzeitbeschäftigung ab. Es widerspreche - so die Revisionsrekurswerberin - der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es der Mutter nicht möglich sein solle, mit ihrem Dienstgeber, der auch ihr Lebensgefährte und Vater des minderjährigen N***** sei, eine derartige Zeiteinteilung zu treffen, die ihr eine Vollzeitbeschäftigung ermögliche. Damit lässt sie aber nicht nur die tatsächlichen Umstände außer Acht, an die der OGH auch im Verfahren außer Streitsachen gebunden ist, sondern übersieht zudem, dass ihre Überlegungen von vornherein nicht auf den gesamten von der Unterhaltsherabsetzung betroffenen Zeitraum herangezogen werden könnten, weil diese Verpflichtung des Dienstgebers erst nach Ablauf des Karenzurlaubs zum Tragen kommt.

 

Eine Anspannung auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf nur erfolgen, wenn den Unterhaltsschuldner (§ 231 ABGB) ein Verschulden daran trifft, dass er kein Erwerbseinkommen hat, oder ihm die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann. Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass eine Anspannung der Mutter auf das Einkommen aus einer (Teilzeit-)Berufstätigkeit nur dann zulässig ist, wenn die Versorgung des zuletzt geborenen Kindes sichergestellt ist.

 

Steht daher fest, dass bis 31. 12. 2013 das nachgeborene Kind von keiner anderen Person betreut werden konnte als der Mutter, scheidet eine Anspannung auf ein Erwerbseinkommen aus, weil die Versorgung des zuletzt geborenen Kindes nicht sichergestellt war. Auch für die Zeit ab Jänner 2014 steht fest, dass der Mutter aufgrund der Betreuungssituation eine Vollzeitbeschäftigung nicht möglich ist, sodass auch hier eine Anspannung auf das Einkommen aus einer Vollzeitbeschäftigung in den Feststellungen keine Deckung findet.

 

Kommt eine Anspannung auf das Erwerbseinkommen aus einer Vollbeschäftigung schon nach den Umständen des Einzelfalls nicht in Betracht, sind die sich für den Dienstgeber nach den Bestimmungen des MSchG ergebenden Pflichten nicht mehr von Belang. Damit stellt sich auch die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht.