13.06.2016 Verfahrensrecht

OGH: Verbesserungsverfahren nach § 84 ZPO iZm im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingaben

Grundsätzlich ist ein Verbesserungsauftrag zu erteilen, wenn nichts darauf hindeutet, dass durch eine bewusst unvollständige Einbringung die Erschleichung eines Verbesserungsauftrags und damit eine Fristverlängerung erreicht werden soll


Schlagworte: Beseitigung von Formgebrechen, von Amts wegen, bewusstes Fehlverhalten, Verbesserungsverfahren, elektronischer Rechtsverkehr
Gesetze:

 

§ 84 ZPO, § 89c GOG

 

GZ 9 Ob 26/16p, 25.05.2016

 

OGH: Gem § 84 Abs 1 ZPO hat das Gericht die Beseitigung von Formgebrechen, die die ordnungsgemäße geschäftliche Behandlung eines überreichten Schriftsatzes zu hindern geeignet sind, von Amts wegen anzuordnen.

 

Es trifft zwar zu, dass die Verbesserungsvorschriften nicht dazu führen dürfen, dass eine Partei oder ein Parteienvertreter durch das bewusste Verfassen von unvollständigen oder mit Formfehlern behafteten Schriftsätzen im Ergebnis die gesetzlichen Notfristen verlängert oder zumindest das Verfahren verzögert. In diesem Sinn wird auch judiziert, dass ein Verbesserungsverfahren grundsätzlich nicht stattzufinden hat, wenn sich der Schriftsatz in der bloßen Benennung des Rechtsmittels oder in der Erklärung erschöpft, die Entscheidung zu bekämpfen.

 

Da diese Beschränkung der gesetzlich vorgesehenen Verbesserungsmöglichkeiten allerdings darauf abzielt, prozessuale Vorteile zu verhindern, die durch bewusstes Fehlverhalten bei der Einbringung von Schriftsätzen entstehen könnten, ist grundsätzlich ein Verbesserungsauftrag zu erteilen, wenn nichts darauf hindeutet, dass durch eine bewusst unvollständige Einbringung die Erschleichung eines Verbesserungsauftrags und damit eine Fristverlängerung erreicht werden soll. In der Entscheidung 1 Ob 70/13w wurde dazu darauf verwiesen, dass bei einer Zurückweisung deshalb darzustellen sei, worin die Anzeichen für einen solchen (vermuteten) Missbrauch gesehen werden könnten. Dies sei insbesondere deshalb zu verlangen, weil gerade mit der automationsunterstützten Verfassung und Einbringung von Schriftsätzen zahlreiche mögliche Fehlerquellen verbunden seien, weshalb bei im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingaben eine Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit idR ohne böswillige Absicht erfolge, die die zuvor zitierte Rsp in den Griff bekommen wolle.

 

Auch im vorliegenden Fall spricht der zeitliche Ablauf nicht für einen Missbrauch der Verbesserungsmöglichkeiten. Der aufgrund des vom Erstgericht telefonisch eingeleiteten Verbesserungsverfahrens vorgelegte Berufungsschriftsatz langte noch innerhalb der ursprünglichen Rechtsmittelfrist beim Erstgericht ein. Es gibt daher keinen Grund anzunehmen, dass die ursprüngliche fehlerhafte Eingabe dazu dienen sollte, die gesetzlichen Notfristen missbräuchlich zu verlängern.

 

Da das Berufungsgericht somit zu Unrecht eine Verspätung der Berufung der Beklagten angenommen hat, ist der Zurückweisungsbeschluss aufzuheben. Das Berufungsgericht wird die Berufung meritorisch zu behandeln haben.