26.07.2016 Zivilrecht

OGH: Erhaltungspflicht des Vermieters iSd § 3 MRG bei Innenflügeln von Fenstern; Undichtheit der Innenfenster als ernster Schaden?

Es entspricht stRsp des OGH, dass Außenfenster zu den allgemeinen Teilen des Hauses gehören und daher in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallen; auch Verbundfenster, bei denen Außen- und Innenteile zu einer Einheit verbunden sind, sodass sie funktional nur in dieser Einheit geöffnet und geschlossen werden können, fallen als Teil der „Außenhaut“ insgesamt, dh sowohl hinsichtlich ihrer Außenflügel als auch hinsichtlich ihrer Innenflügel, in die Erhaltungspflicht des Vermieters iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG; Anderes gilt bei einem Kastenfenster, bei dem an einer Zarge zwei Fenster hintereinander montiert sind; hier obliegt die Erhaltung der Innenfensterflügel als Teil des Mietobjekts grundsätzlich nicht dem Vermieter, sofern es sich nicht um einen ernsten Schaden des Hauses handelt; die festgestellte Undichtheit der Innenfenster stellt für sich genommen keinen ernsten Schaden des Hauses dar und ist als solche von der Schadhaftigkeit der Außenfenster – faktisch und rechtlich – zu trennen


Schlagworte: Mietrecht, Erhaltungspflicht des Vermieters, Innenflügel von Fenstern, Undichtheit, ernster Schaden
Gesetze:

 

§ 3 MRG, § 6 MRG

 

GZ 5 Ob 249/15a, 14.06.2016

 

Die Antragsgegner bestreiten in ihrem Revisionsrekurs ihre Verpflichtung zur Instandsetzung der Außenfenster grundsätzlich. Dies in erster Linie mit dem Argument, dass die Arbeiten angesichts der festgestellten negativen Hauptmietzinsreserve auch nicht durch Aufnahme von Fremdkapital iSd § 3 Abs 3 Z 1 MRG möglich sei. Die mangelnde Finanzierbarkeit müsse bei zutreffender rechtlicher Beurteilung dazu führen, dass der Anspruch der Antragstellerin derzeit als nicht „fällig“ zu behandeln und der Antrag zurückzuweisen sei.

 

OGH: Die Verpflichtung des Vermieters, die im Gesetz aufgezählten Arbeiten als Erhaltungsarbeiten durchzuführen, hängt nicht von ihrer Finanzierbarkeit nach § 3 Abs 3 MRG ab. Der Einwand der mangelnden Kostendeckung durch den Vermieter ist nur im Fall und mit der Maßgabe des § 6 Abs 4 MRG zu prüfen. Danach kann bei nicht privilegierten Arbeiten die Mehrheit der Hauptmieter der vermieteten Mietgegenstände des Hauses zusammen mit dem Vermieter dann Widerspruch erheben, wenn eine Mietzinserhöhung nach den §§ 18, 19 MRG erforderlich ist. Die mangelnde Kostendeckung kann also nur im Fall des Widerspruchs (sowohl der Vermieter als auch) der Mehrheit der Hauptmieter zur Abweisung des Antrags führen. Ansonsten hat der Vermieter, will er nicht die Kosten der Erhaltungsarbeiten aus eigenen Mitteln bezahlen oder zumindest vorfinanzieren, einen Antrag auf Mietzinserhöhung nach den §§ 18, 19 MRG zu stellen, der mit dem Auftrag auf Durchführung der Arbeiten zu verbinden ist. Diesen Voraussetzungen entspricht der von den Antragsgegnern im Verfahren vor dem Erstgericht erhobene Einwand einer negativen Hauptmietzinsabrechnung nicht.

 

Die Antragsgegner machen in ihrem Revisionsrekurs zudem geltend, dass dem vom Erstgericht erteilten Auftrag auch die – im Verhältnis zu anderen Möglichkeiten anzunehmende – Unzumutbarkeit der aufgetragenen Arbeiten entgegen stehe. Nach § 6 Abs 1a MRG könnten nur jene Arbeiten zur Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung aufgetragen werden, ohne die sich die Gesundheitsgefährdung nicht, also nicht durch andere zumutbare Maßnahmen, abwenden lasse. Diese „Zumutbarkeitsbestimmung“ müsse noch mehr für Arbeiten gelten, die nicht zur Abwehr von erheblichen Gesundheitsgefährdungen erforderlich seien.

 

Auf die in diesem Zusammenhang erstmals im Revisionsrekurs aufgestellten Behauptungen ist schon wegen des im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren ausnahmslos geltenden Neuerungsverbots nicht näher einzugehen. Bei dem in § 6 Abs 1a MRG idF WRN 2006 positivierten Gedanken der Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Abwendung der erheblichen Gesundheitsgefährdung geht es aber auch gar nicht um den Aufwand der Maßnahme selbst, sondern darum, dass andere Maßnahmen, die den Bewohnern des Hauses zumutbar sind, die Gesundheitsgefährdung abwenden können, also um effektive Alternativmaßnahmen. § 6 Abs 1a MRG spricht also nur die Zumutbarkeit für die Bewohner an.

 

Im Besonderen rügen die Antragsgegner die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach sie auch die Erhaltungspflicht für Innenflügel der Fenster treffe. Es sei zwar technisch zutreffend, dass bei aus Innen- und Außenflügeln bestehenden Fenstern die Innenflügel dicht sein müssten, während die Außenflügel nicht luftdicht sein dürften, damit eingedrungene Feuchtigkeit nach außen ablüften könne. Aus diesem bei jedem derartigen Fenster bestehenden bauphysikalischen Zusammenhang zwischen Innen- und Außenflügeln lasse sich jedoch keine rechtliche Einheit ableiten. Es habe daher bei Fenstern mit Innen- und Außenflügeln bei der Rsp des OGH zu bleiben, wonach den Vermieter die Erhaltungspflicht iSd § 3 MRG nur bezüglich der Außenflügel treffe.

 

Es entspricht stRsp des OGH, dass Außenfenster zu den allgemeinen Teilen des Hauses gehören und daher in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallen. Auch Verbundfenster, bei denen Außen- und Innenteile zu einer Einheit verbunden sind, sodass sie funktional nur in dieser Einheit geöffnet und geschlossen werden können, fallen als Teil der „Außenhaut“ insgesamt, dh sowohl hinsichtlich ihrer Außenflügel als auch hinsichtlich ihrer Innenflügel, in die Erhaltungspflicht des Vermieters iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG. Anderes gilt bei einem Kastenfenster, bei dem an einer Zarge zwei Fenster hintereinander montiert sind. Hier obliegt die Erhaltung der Innenfensterflügel als Teil des Mietobjekts grundsätzlich nicht dem Vermieter, sofern es sich nicht um einen ernsten Schaden des Hauses handelt.

 

Das Rekursgericht wirft zunächst die Frage auf, ob die vom Erstgericht festgestellte „bauphysikalische Einheit“ der Außen- und Innenflügeln es rechtfertige, diese gleich den Verbundfenstern insgesamt als Teil der „Außenhaut“ und damit als allgemeiner Teil des Hauses zu qualifizieren. Unter Hinweis auf einzelne für diese Zuordnung nach der Rsp maßgebliche räumliche und funktionelle Kriterien hat es dies aber letztlich erkennbar verneint. Nach den Feststellungen des Erstgerichts besteht hier auch tatsächlich keine über die allgemeine bauphysikalische Funktionsweise eines Kastenfensters hinausgehende Verbindung zwischen den Außen- und Innenflügeln. Insbesondere weisen sie ihrer Konstruktion nach sowohl räumliche als auch funktionelle Trennung auf. Die Innenfensterflügel sind daher auch hier nicht als Teil der „Außenhaut“, sondern als Teile des Mietobjekts zu qualifizieren, deren Erhaltung grundsätzlich nicht dem Vermieter obliegt.

 

Zu den vom Vermieter durchzuführenden Erhaltungsarbeiten gehören zwar auch die Vor- und Nacharbeiten. Ob solche (bloß) vorbereitende, begleitende oder nachfolgende Tätigkeiten vorliegen, ist aus deren funktionellem Zusammenhang mit der eigentlichen Erhaltungsarbeit zu erschließen. Sie sind zu deren Durchführung notwendig, ermöglichen oder erleichtern sie oder dienen dazu, den ursprünglichen Zustand nach Abschluss der Erhaltungsarbeit wiederherzustellen. Diesen „abgeleiteten“ Erhaltungsarbeiten ist gemeinsam, dass sie als notwendige Folge der eigentlichen Erhaltungsarbeit in direktem Zusammenhang mit dieser stehen, selbst aber nicht Teil der eigentlichen Erhaltungsmaßnahme sind. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sind die Innenflügel gegen die Raumluft dicht herzustellen, um den „Bestand der instandgesetzten Außenflügel sicherzustellen“. Eine „nachhaltige Sanierung“ umfasse auch die dichte Instandsetzung der Innenfenster. Die Herstellung der Dichtheit der Innenfenster soll daher zwar einen erneuten Schadenseintritt verhindern, steht aber mit den Erhaltungsarbeiten an den Außenfenstern nicht in dem Sinn in einem direkten Zusammenhang, als sie zu deren Durchführung notwendig oder förderlich wäre oder dazu dienen würde, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Die vom Erstgericht aufgetragene Herstellung der Dichtheit der Innenfenster kann daher auch nicht als von der Erhaltungspflicht des Vermieters umfasste Nacharbeit qualifiziert werden. Die Undichtheit der Innenfenster ist im Übrigen auch nicht die Ursache der aktuell zu sanierenden Schäden an den Außenfenstern; nach den Feststellungen des Erstgerichts stellen diese vielmehr Zeitschäden dar, die durch mangelnde Wartung oder unfachgemäßen Einbau entstanden sind.

 

Das Rekursgericht begründet die Erhaltungspflicht der Antragsgegner letztlich erkennbar damit, dass die Erhaltung der Innenfensterflügel der Behebung eines ernsten Schadens des Hauses diene. Aber nur ein Schaden, der einerseits die ordentliche Benützung des Bestandobjekts unmöglich macht, und andererseits ein außergewöhnliches Ausmaß erreicht, kann als „ernst“ angesehen werden. Der Einfluss des Schadens auf die Brauchbarkeit des Mietobjekts ist dabei auch nicht allein ausschlaggebend. Die Behebungspflicht im Inneren des Bestandgegenstands ist dem Vermieter vielmehr nur insoweit zugewiesen, als der Schaden nicht ohne geringen Aufwand jederzeit beseitigt werden kann und es sich andererseits um einen Schaden des Hauses handelt, also um einen Mangel, der Auswirkungen auf den Bauzustand des Gebäudes hat. Die festgestellte Undichtheit der Innenfenster stellt für sich genommen keinen ernsten Schaden des Hauses dar und ist als solche von der Schadhaftigkeit der Außenfenster – faktisch und rechtlich – zu trennen.