10.01.2017 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ab wann bei Abschluss eines Vorvertrages die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG läuft

Leistungsgegenstand des Vorvertrags ist die Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrags, nicht die Pflicht, die Gegenstand des Hauptvertrags sein soll; bei Abschluss eines auf die Vereinbarung eines Mietvertrags gerichteten Vorvertrags liegt daher noch keine grundsätzlich wirksame rechtsgeschäftliche Einigung über den Mietvertrag und die darin enthaltene Mietzinsvereinbarung vor, sodass die daran anknüpfende Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG (noch) nicht zur Anwendung kommen kann


Schlagworte: Mietrecht, Mietzinsvereinbarungen, Unwirksamkeit, Präklusivfrist, Vorvertrag
Gesetze:

 

§ 16 MRG, § 936 ABG

 

GZ 5 Ob 91/16t, 25.10.2016

 

OGH: Nach § 16 Abs 8 Satz 1 MRG sind Mietzinsvereinbarungen unwirksam, soweit sie den nach den Absätzen 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreiten. Diese Unwirksamkeit muss nach § 16 Abs 8 Satz 2 MRG bei unbefristeten Mietverträgen binnen einer Frist von drei Jahren geltend gemacht werden.

 

Die in § 16 Abs 8 Satz 2 MRG normierte Präklusivfrist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung beginnt mit dem Abschluss der Vereinbarung zu laufen und nicht etwa ab erster Mietzinszahlung oder ab Beginn des Mietverhältnisses.

 

Thema des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich die Frage, ab wann die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG zu laufen beginnt, wenn die Parteien des Mietvertrags einen darauf bezogenen Vorvertrag abgeschlossen hatten. Das Rekursgericht ging davon aus, dass die Frist nicht – wie vom Erstgericht angenommen – mit Rechtskraft des Urteils über die Verpflichtung zum Abschluss eines Hauptvertrags oder – wie von der Erstantragsgegnerin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs angestrebt – überhaupt schon mit dem Abschluss des Vorvertrags zu laufen beginnt, sondern (erst) mit dem Abschluss des Hauptvertrags, frühestens jedoch mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Bestandobjekts. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Parteien im November 2009 (bloß) einen Vorvertrag geschlossen haben, wird im Revisionsrekursverfahren nicht bekämpft.

 

Damit die Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG zur Anwendung kommen kann, muss jedenfalls eine Mietzinsvereinbarung vorliegen, die einerseits als rechtsgeschäftliche Einigung grundsätzlich wirksam ist, aber andererseits – der Höhe nach – bestimmten gesetzlichen Mietzinsbildungsvorschriften widerspricht und deshalb insoweit teilnichtig sein soll. Zu 5 Ob 166/10p hat der erkennende Senat daher iZm einer Mietzinserhöhungsvereinbarung ausgesprochen, dass eine – entgegen § 16 Abs 1 Z 5 MRG – bloß mündlich und nicht schriftlich abgeschlossene Mietzinsvereinbarung unwirksam ist und demzufolge nicht nur keiner Anfechtung nach § 16 Abs 8 Satz 2 MRG bedarf, sondern mangels Wirksamkeit der Vereinbarung einer solchen fristgebundenen Anfechtung gar nicht zugänglich ist. Der Entscheidung 5 Ob 213/15g wiederum lag die rechtsgeschäftliche Willenseinigung auf eine erst zu einem späteren Zeitpunkt festzulegende ortsübliche Miete zu Grunde. In einem solchen Fall wird die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG nicht schon mit der Vereinbarung, sondern erst mit der erstmaligen Vorschreibung des ziffernmäßig bestimmten Entgelts in Gang gesetzt.

 

Der Vorvertrag ist die Vereinbarung, in Zukunft einen Hauptvertrag zu schließe. Damit der Vorvertrag Verbindlichkeit erlangt, muss der beabsichtigte Hauptvertrag zwar bereits weitestgehend konkretisiert und sein Abschlusszeitpunkt vorweg bestimmt sein. Bei Vorliegen eines Vorvertrags kann aber nur der Abschluss des Hauptvertrags und nicht unmittelbar Erfüllung begehrt werden. Beim Vorvertrag berücksichtigt das Gesetz in Gestalt der clausula rebus sic stantibus den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die daraus resultierende Bindung ist also schwächer als die an einen Hauptvertrag. Ändern sich vertragswesentliche Umstände nachträglich wesentlich und unvorhersehbar, so verliert der Vorvertrag seine Verbindlichkeit. Wegen der geringeren Bindung ist ein triftiger Grund für den Nichtabschluss eines Vertrags dabei schon dann zu bejahen, wenn der Vertragsabschluss nicht aus sachfremden Überlegungen gescheitert ist, sondern die neu aufgetretenen Umstände den Vertragsabschluss unzumutbar erscheinen lassen. Das gilt beispielsweise auch für eine erhebliche Veränderung des ortsüblichen Mietzinses.

 

Leistungsgegenstand des Vorvertrags ist demnach die Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrags, nicht die Pflicht, die Gegenstand des Hauptvertrags sein soll. Bei Abschluss eines auf die Vereinbarung eines Mietvertrags gerichteten Vorvertrags liegt daher noch keine grundsätzlich wirksame rechtsgeschäftliche Einigung über den Mietvertrag und die darin enthaltene Mietzinsvereinbarung vor, sodass die daran anknüpfende Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG (noch) nicht zur Anwendung kommen kann. Auch im Hinblick auf den Zweck, den der Gesetzgeber mit dieser Befristung des Anspruchs, die Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung geltend zu machen, verfolgt, ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Frist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG im Falle des Abschlusses eines Vorvertrags bereits mit diesem Zeitpunkt und nicht erst bei Abschluss des Hauptvertrags zu laufen beginnen soll. Verjährungsbestimmungen verfolgen generell den Zweck, den Gläubiger zu zwingen, seinen Anspruch zu einer Zeit geltend zu machen, in der regelmäßig die Prüfung seiner Voraussetzungen noch ohne übermäßigen Aufwand möglich ist. Diese Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG wurde mit dem 3. WÄG, BGBl I 1993/800 (in Kraft seit 1. 3. 1994), eingeführt. Auch mit dieser Präklusionsregelung verfolgte der Gesetzgeber des 3. WÄG die Absicht, Beweisprobleme zu vermeiden, die sich daraus ergeben, dass die Angemessenheit des Hauptmietzinses stets nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen ist. Ist aber für die Beurteilung der Zulässigkeit des Mietzinses ohnedies der Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung maßgebend, können aus dem Umstand, dass die Präklusivfrist auch erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt und die Zeit zwischen dem Abschluss eines allfälligen Vorvertrags und dem Abschluss des Hauptvertrags nicht in die Präklusivfrist einzurechnen ist, keine solchen zu vermeidenden Beweisprobleme erwachsen.