27.11.2017 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob eine elektrische Viehsperre im Bereich eines Radwegs als ein auf einem Weg aufgeführtes Werk iSd § 1319 ABGB oder als eine im Zuge des Weges befindliche Anlage iSd § 1319a ABGB zu werten ist

Ist der Wegehalter gleichzeitig auch als Besitzer einer im Zuge des Weges bestehenden baulichen Anlage zu werten, so verdrängt die Wegehalterhaftung (§ 1319a ABGB) als Spezialnorm die Bestimmung des § 1319 ABGB; für die Abgrenzung ist entscheidend, ob die bauliche Anlage nach seiner Zweckbestimmung den Verkehr verhindern soll; nur in einem solchen Fall kann sich der Kläger auf § 1319 ABGB stützen; eine elektrische Viehsperre dient der Ermöglichung des Radverkehrs und der Benützung des Radwegs; sie ist damit eine dem Verkehr dienende Anlage, weshalb die Wegehalterhaftung zur Anwendung gelangt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Wegehalterhaftung, Bauwerkehaftung, Mountainbikestrecke, Viehsperre
Gesetze:

 

§ 1319a ABGB, § 1319 ABGB

 

GZ 8 Ob 103/17f, 28.09.2017

 

OGH: Während § 1319a ABGB die Haftung des Wegehalters gegenüber den Weg benützenden Dritten regelt, zielt § 1319 ABGB auf die Haftung für Schäden ab, die durch Einsturz oder Ablösen von Teilen eines mangelhaften (Bau-)Werks entstehen. Ist der Wegehalter gleichzeitig auch als Besitzer einer im Zuge des Weges bestehenden baulichen Anlage zu werten, so verdrängt die Wegehalterhaftung (§ 1319a ABGB) als Spezialnorm die Bestimmung des § 1319 ABGB. Entscheidend ist daher die Frage, ob eine Viehsperre eine dem Verkehr dienende Anlage bzw eine im Zuge des Weges bestehende Anlage ist, also zum Weg gehört. Für die Abgrenzung kommt es nicht darauf an, ob die bauliche Anlage im Bereich eines Weges der besseren Benützbarkeit der Verkehrsfläche dient oder ein Hindernis für die Wegbenützung darstellt. Vielmehr ist entscheidend, ob die bauliche Anlage nach seiner Zweckbestimmung den Verkehr verhindern soll. Nur in einem solchen Fall kann sich der Kläger auf § 1319 ABGB stützen.

 

Die hier zu beurteilende elektrische Viehsperre sollte nicht den Radverkehr auf dem Radweg einschränken oder verhindern. Vielmehr diente sie gerade der Ermöglichung des Radverkehrs und der Benützung des Radwegs. Damit ist der Unfall der Klägerin nach der Wegehalterhaftung zu beurteilen.

 

Nach § 1319a ABGB haftet der Wegehalter nur für einen – vorsätzlichen oder grob fahrlässigen – mangelhaften Zustand des Weges. Im Zusammenhang mit einem Radweg besteht die Haftung des Wegehalters nach § 1319a ABGB für eine atypische Gefahrenquelle, die für den Wegehalter erkennbar war.

 

Für diese Beurteilung ist nicht so sehr entscheidend, ob es sich um eine bestimmte Strecke (zB Mountainbikestrecke) handelt, sondern ob mit einer derartigen Einrichtung (Viehsperre) aufgrund der ländlichen Umgebung und des Vorhandenseins von Weidevieh gerechnet werden muss. Für die Klägerin war die elektrische Viehsperre aber keine atypische Gefahrenquelle.