27.11.2017 Zivilrecht

OGH: Mountainbike-Touren auf Internetportal – zur Frage, ob das Verhalten eines Radfahrers, der eine aus dem Internet heruntergeladene Radfahrroute trotz in der Natur vorhandener Fahrverbotshinweise befährt, dem Internetprovider, der diese Radfahrroute zum Download bzw zur Einsicht bereit hält, zurechenbar ist

Eine Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB gegen den Betreiber einer Internetplattform für Mountainbiker, der einen Eintrag trotz Löschungsaufforderung aufrecht erhält, obwohl ihm vom Eigentümer mitgeteilt wurde, dass das Befahren der veröffentlichten Route mangels Zustimmung unberechtigt erfolgt, ist zulässig; die – korrekte – Information über das grundsätzliche Fahrverbot auf Forststraßen in Österreich iSd § 33 Abs 3 ForstG im „PS“ der Tour bzw allgemein auf der Homepage ist nicht ausreichend, wenn dem die erwartbare Nutzung der Tour durch die Adressaten des Portals entgegensteht, zumal die Beklagte auf dem Onlineportal als vehemente Verfechterin des unbeschränkten Fahrrechts auf Forststraßen auftritt und sogar zum „zivilen Ungehorsam“ aufruft


Schlagworte: Internetrecht, Eigentumsfreiheitsklage, Internetportal, Mountainbikestrecken, Hinweise auf Fahrverbot, Löschungsaufforderung, Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, mittelbarer Störer
Gesetze:

 

§ 523 ABGB, § 19 ECG, § 16 ECG, § 18 ECG, § 354 ABGB, § 33 ForstG

 

GZ 7 Ob 80/17s, 18.10.2017

 

Die Beklagte betreibt eine Homepage, die eine Plattform zur Veröffentlichung von Mountainbike-Touren zur Verfügung stellt, die von Interessenten über eine ebenfalls auf der Homepage zu beziehende App heruntergeladen werden können. Vier Eigentümer aufeinanderfolgender Wald- und Berglandgrundstücke, über die ein zentraler Teil einer auf der Homepage veröffentlichten Tour führt, forderten die Betreiberin unter Hinweis darauf, dass sie dem Befahren ihrer Grundstücke nicht zugestimmt und sogar Absperrungen und Fahrverbotsschilder aufgestellt hätten, zur Löschung der Tour auf. Nachdem die Betreiberin dies ablehnte, erhoben sie eine Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB.

 

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren ab. Durch die Absperrungen und Fahrverbotsschilder werde den Mountainbikern klar vor Augen geführt, dass die Eintragung auf der Tourenplattform unzutreffend sei. Auch weise der Plattformbetreiber wiederholt allgemein auf mögliche Fahrverbote hin. Werde das Fahrverbot dennoch missachtet, sei dies nicht durch das Verhalten des Plattformbetreibers herausgefordert.

 

OGH: Die §§ 13–18 ECG regeln die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für Informationen, wobei insbesondere zwischen der Durchleitung (§ 13 ECG), der Zwischenspeicherung (Caching, § 15 ECG) und dem Speichern fremder Inhalte (Host-Provider, § 16 ECG) unterschieden wird.

 

Nach § 16 Abs 1 ECG ist ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen speichert, […] für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, sofern er

 

1. von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder,

 

2. sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.

 

Die Regelung bildet ein Haftungsprivileg für den Host-Provider dergestalt, dass er unter den oben genannten Voraussetzungen für alle Rechtsgebiete haftungsfrei wird.

 

Nach § 18 ECG (Art 15 ECRL) und der Rsp des EuGH haben neutral bleibende Diensteanbieter keine allgemeine Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihnen gespeicherten fremden Inhalte.

 

Nach § 19 Abs 1 ECG lassen aber „die §§ 13 bis 18 […] gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Diensteanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt. § 16 ECG schafft somit nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung keine eigenen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, vielmehr richtet sich deren Bestehen nach den allgemeinen (privatrechtlichen) Regeln.

 

Der Anspruch, die über die Grundstücke der Kläger führende Route von ihrer Webseite und ihrer Smartphone-App zu löschen sowie jegliche künftige Veröffentlichung dieser Route zu unterlassen, kann sich daher nur aus § 523 (iVm § 354) ABGB ergeben, worauf sich die Kläger berufen.

 

Nach § 523 ABGB ist auch Störer, wer den unerlaubten Zustand aufrecht hält, weshalb die Pflicht zum Tätigwerden des Betreibers des Onlineportals dadurch entstehen kann, dass er von einer Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und nicht Abhilfe schafft.

 

Dazu haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer Rechtsansicht zwar keine Feststellungen getroffen, aus den vorgelegten Urkunden Beil ./D und ./E, die inhaltlich nicht bestritten wurden und daher insoweit der Entscheidung des Revisionsgerichts zugrunde gelegt werden können, geht aber hervor, dass die Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 22. 12. 2015 von ihrer mangelnden Zustimmung zur Benutzung ihrer Liegenschaften für die Mountainbiketour informierten und die Löschung der Tour forderten. Die Beklagte hat diese Schreiben auch erhalten, antwortete sie doch unter Bezugnahme darauf per E-Mail mit dem Hinweis, dass sie eine Löschung im Hinblick auf ihre AGB nicht für notwendig erachte, und, dass die Kläger die Möglichkeit hätten, Kommentare bei der Tour abzugeben.

 

Spätestens ab diesem Zeitpunkt wusste die Beklagte daher positiv, dass die auf ihrer Plattform veröffentlichte Tour als Mountainbikestrecke nicht mehr durchgehend berechtigt befahren werden darf, sondern in ihrem zentralen Teil über beachtliche Kilometer keine „Mountain-Bike-“, sondern vielmehr eine „Rad-Schiebe“-Tour war. Für die Beklagte musste damit klar sein, dass die Nutzung der Strecke nach der für die Adressaten des Portals intendierten Verwendung (vgl auch Punkt 1. der AGB) nicht mehr rechtskonform möglich ist. Zumindest ab diesem Zeitpunkt wurde die Beklagte daher durch die Aufrechterhaltung der Veröffentlichung als Förderin des Rechtsbruchs zur mittelbaren Störerin, gegen die iSd Rsp das Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren ebenfalls gerichtet werden kann. Die – korrekte – Information über das grundsätzliche Fahrverbot auf Forststraßen in Österreich iSd § 33 Abs 3 ForstG im „PS“ der Tour bzw allgemein auf der Homepage ist nicht ausreichend, wenn dem die erwartbare Nutzung der Tour durch die Adressaten des Portals entgegensteht, zumal die Beklagte auf dem Onlineportal als vehemente Verfechterin des unbeschränkten Fahrrechts auf Forststraßen auftritt und sogar zum „zivilen Ungehorsam“ aufruft.

 

Ebenso wenig ist letztlich das von der Beklagten in Reaktion auf die Beschwerde der Kläger bei der Tour eingestellte Foto einer Fahrverbotstafel ausreichend. Einerseits besteht keinerlei Verpflichtung zu dessen Beibehaltung und andererseits ergibt sich daraus kein zusätzlicher Informationsgehalt, weil weder ein Hinweis auf die Länge der von diesem Fahrverbot betroffenen Strecke noch dessen Relevanz für die für den angesprochenen Mountainbiker sinnvolle Nutzung der Tour ableitbar ist. Dies umso mehr als in der einleitenden, verbalen Vorstellung der Route ausdrücklich nur von „5 Min. Schieben“ die Rede ist. Wenn aus dem weiteren Text ersichtlich wird, dass sich diese Angabe offenkundig auf den letzten Anstieg zum Gipfel bezieht, bleibt offen und damit – entgegen dem positiven Wissensstand der Beklagten – unklar, einerseits worauf das Foto des Fahrverbotsschilds konkret hinweisen soll, und andererseits, dass das Rad bei rechtmäßiger Benützung nicht nur fünf Minuten, sondern auch während eines zentralen Teils der Route geschoben werden muss.

 

Den von den Vorinstanzen herangezogenen Erwägungen aus der Entscheidung 1 Ob 625/94 kann für den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht gefolgt werden, weil dort die geübte Sorgfalt des Verlags bei Erhebung des der Karte zugrundeliegenden Informationsstands in Betreff markierter Routen (es wurden Gemeinden und Tourismusverbände kontaktiert) sowie die Tatsache, dass eine gedruckte Karte naturgemäß nicht immer aktuell sein kann, maßgeblich waren, während hier die (individuelle) Tour im Wissen um die mangelnde Zustimmung der Kläger nicht gelöscht wurde, obwohl Löschungen und Korrekturen leicht zeitnah (unmittelbar) vorgenommen werden können. Insofern rechtfertigt das Aufrechterhalten der falschen Informationen auf dem Onlineportal, obwohl eine Richtigstellung jederzeit und leicht möglich ist und dies von den beteiligten Verkehrskreisen auch erwartet wird, einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, hatte es die Beklagte doch leicht in der Hand, weitere Störungen durch Mountainbiker, die aufgrund des Eintrags handeln (unmittelbarer Störer), zu unterbinden und so weitere Rechtsverletzungen nicht mehr zu veranlassen.