17.04.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Frage der Beleuchtungspflicht für Rollstuhlfahrer

Aus § 2 Abs 1 Z 19 StVO lässt sich erschließen, dass die Benützer von Rollstühlen wie Fußgänger zu behandeln sind


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Straßenverkehrsrecht, keine Beleuchtungspflicht für Rollstuhlfahrer
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 60 StVO, § 2 StVO

 

GZ 2 Ob 42/17s, 30.01.2018

 

OGH: Nach § 60 Abs 3 StVO sind Fahrzeuge während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert, auf der Fahrbahn zu beleuchten; ausgenommen hievon sind Fahrräder, die geschoben werden.

 

Nach § 2 Abs 1 Z 19 StVO gilt als Fahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Beförderungsmittel oder eine fahrbare Arbeitsmaschine, ausgenommen ua Rollstühle.

 

Der Gesetzgeber begründet den eingeschränkten Fahrzeugbegriff mit der Überlegung, dass mit dem Begriff des Fahrzeugs die Vorstellung verbunden ist, dass damit Personen und Sachen auch über weite Strecken befördert werden können.

 

Damit gilt die Beleuchtungspflicht des § 60 Abs 3 StVO nicht für Rollstühle.

 

Für den österreichischen Rechtsbereich existiert somit keine gesetzliche Vorschrift, die eine Beleuchtung des hier zu beurteilenden Rollstuhls vorschreiben würde. Ob das, wie die Revisionswerber vorbringen, in Belgien anders sein mag, ist hier nicht von Relevanz.

 

Zur Analogie:

 

Anders als in § 24 Abs 1 dStVO, wonach (ua) für den Verkehr mit Greifreifenrollstühlen die Vorschriften für den Fußgängerverkehr entsprechend gelten, fehlt in der öStVO eine gleichlautende ausdrückliche Regelung. Aus § 2 Abs 1 Z 19 StVO lässt sich aber erschließen, dass die Benützer derartiger Rollstühle auch in Österreich wie Fußgänger zu behandeln sind. Unterstützt wird diese Auslegung durch den Wortlaut der Gesetzesmaterialien zur 12. StVO-Novelle, mit der den Benützern von selbstfahrenden Rollstühlen, die bis dahin die Fahrbahn benützen mussten, die Erlaubnis zum Befahren von Gehsteigen, Gehwegen und Fußgängerzonen in Schrittgeschwindigkeit eingeräumt worden ist (§ 76 Abs 1 letzter Satz StVO). Darin wurde ausgeführt, dass Rollstühle auf Gehsteigen, Gehwegen oder in Fußgängerzonen fahren dürfen, wenn sie entweder vom Benützer – wie im gegenständlichen Fall – selbst bewegt oder von einer Begleitperson geschoben werden, während elektrisch angetriebene Rollstühle die Fahrbahn benützen müssen.

 

Angesichts dieser ausdrücklichen Beschäftigung des Gesetzgebers mit den Regelungen für Rollstuhlfahrer ist eine im Wege der Analogie zu füllende Gesetzeslücke nicht erkennbar. Eine analoge Anwendung der Vorschriften für Fahrräder auf Rollstühle würde auch den Wertungen des Gesetzgebers widersprechen, weil dieser die Einführung des § 65 Abs 1 StVO, wonach, wer ein Fahrrad schiebt, nicht als Radfahrer gilt, damit begründete, dass es nicht angebracht erscheine, zwischen einem „Fußgänger“ und einem „Fußgänger, der zusätzlich ein Fahrrad neben sich herschiebt“, einen Unterschied zu machen. Die ein Fahrrad schiebende Person hat vielmehr ebenfalls die Verhaltensvorschriften für Fußgänger zu beachten.