30.07.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Videoüberwachung zwecks Erlangung von Beweismitteln

Die Erlangung von Beweismitteln in einem Zivilrechtsstreit gehört nicht zu den in § 50a Abs 4 DSG taxativ aufgezählten Gründen, die eine private Videoüberwachung rechtfertigen


Schlagworte: Schutz der Privatsphäre, Nachbarrecht, Geheimsphäre, Überwachung, Nachbargrundstück Videokamera, Rechtfertigungsgrund, Beweismittel, Beweissicherung, Zivilprozess
Gesetze:

 

§ 16 ABGB, Art 8 EMRK, § 50a DSG

 

GZ 6 Ob 16/18y, 24.05.2018

 

OGH: Nach der Entscheidungspraxis der Datenschutzbehörde ist eine Videoüberwachung zur Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit nicht zulässig, weil die Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit unter keinen der gesetzmäßigen Gründe für einen solchen Eingriff in das Geheimhaltungsrecht des Betroffenen fällt, die in den § 50a Abs 3 und 4 DSG taxativ (arg: „ausschließlich“) aufgezählt sind, sodass für eine allgemeine Interessenabwägung in diesem Fall kein Platz bleibt. Bei einem bloßen Beweisnotstand kann vom Vorliegen eines Notstands iSd § 1306a ABGB keine Rede sein, setzt doch dieser eine „gefährliche Situation“ voraus.

 

§ 50a Abs 4 DSG regelt jene Rechtfertigungsgründe, die nur von privatrechtlich handelnden Auftraggebern in Anspruch genommen werden können; sie sind Ergebnis einer typisierenden Interessenabwägung durch den Gesetzgeber. Danach ist ein Betroffener „durch eine Videoüberwachung ausschließlich dann nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen“ verletzt, wenn „1. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das überwachte Objekt oder die überwachte Person könnte das Ziel oder der Ort eines gefährlichen Angriffs werden, oder 2. unmittelbar anwendbare Rechtsvorschriften des Völker- oder des Gemeinschaftsrechts, Gesetze, Verordnungen, Bescheide oder gerichtliche Entscheidungen dem Auftraggeber spezielle Sorgfaltspflichten zum Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person auferlegen, oder 3. sich die Überwachung in einer bloßen Echtzeitwiedergabe von das überwachte Objekt bzw die überwachte Person betreffenden Ereignisse erschöpft, diese also weder gespeichert (aufgezeichnet) noch in sonst einer anderen Form weiterverarbeitet werden (Echtzeitüberwachung), und sie zum Zweck des Schutzes von Leib, Leben oder Eigentum des Auftraggebers erfolgt.

 

Die Zulässigkeit einer Videoüberwachung zur Erlangung von Beweismitteln in einem Zivilrechtsstreit ist in einem anderen Gesetz nicht normiert. Eine Beweissicherung iSd § 50a Abs 2 DSG ist ein rechtmäßiger Zweck einer Videoüberwachung, wenn sie mit einem der in dieser Gesetzesstelle genannten Zwecke (Schutz des überwachten Objekts; Schutz der überwachten Person; Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten) verbunden ist und ein Betroffener durch die Videoüberwachung nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt ist. Zu den in § 50a Abs 4 DSG aufgezählten Gründen, die eine private Videoüberwachung rechtfertigen, gehört aber nicht die Erlangung von Beweismitteln in einem Zivilrechtsstreit.