22.10.2018 Zivilrecht

OGH: Verletzung einer Wanderin im Zuge von Baumschlägerungsarbeiten ohne Warntafeln

Dass die Pflichtverletzungen des zur Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB verhaltenen Beklagten, nämlich das unterlassene Aufstellen einer Warntafel bergseits der Gefahrenstelle, obwohl der Baum auf den an einem sonnigen Maifeiertag erkennbar häufig begangenen Wanderweg fallen sollte, die unterlassene Überwachung des Gefahrenbereichs durch einen kurzen Kontrollblick und das Unterlassen eines Warnrufs vor Setzen des Fällschnitts, insgesamt ein grobes Verschulden begründen, bedarf keiner Korrektur; dass die auf einem markierten und nicht wegen Forstarbeiten gesperrten Weg wandernde Klägerin kein relevantes Mitverschulden trifft, wenn sie trotz wahrgenommenen – allerdings einem anderen Ort zugeordneten – Motorsägengeräusch auf dem Wanderweg weiterging, ohne sich durch Einsicht in das (allerdings teilweise nicht oder nur schlecht einsehbare) Gelände der Herkunft des Geräusches zu vergewissern, den Weg nur besonders vorsichtig zu beschreiten und Kontakt mit dem Forstarbeiter aufzunehmen, ist jedenfalls vertretbar; mangels Hinweises auf die Forstarbeiten durfte die Klägerin davon ausgehen, den Wanderweg gefahrlos benützen zu können


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Forstrecht, Waldschlägerungsarbeiten, grob fahrlässig, Wanderweg, unterlassene Aufstellung einer Warntafel, Mitverschulden
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 176 ForstG, § 1304 ABGB

 

GZ 1 Ob 130/18a, 29.08.2018

 

Die Klägerin wurde durch einen vom Beklagten gefällten Baum schwer verletzt. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Beklagte den Unfall grob sorgfaltswidrig zu verantworten habe und daher trotz des Haftungsprivilegs nach § 176 Abs 3 ForstG hafte. Die Klägerin treffe kein relevantes Mitverschulden.

 

OGH: Dass die Pflichtverletzungen des zur Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB verhaltenen Beklagten, nämlich das unterlassene Aufstellen einer Warntafel bergseits der Gefahrenstelle, obwohl der Baum auf den an einem sonnigen Maifeiertag erkennbar häufig begangenen Wanderweg fallen sollte, die unterlassene Überwachung des Gefahrenbereichs durch einen kurzen Kontrollblick und das Unterlassen eines Warnrufs vor Setzen des Fällschnitts, insgesamt ein grobes Verschulden begründen, bedarf keiner Korrektur. Ob die fehlende Warntafel alleine eine grobe Fahrlässigkeit begründet, kann damit dahingestellt bleiben.

 

Soweit die Revision erkennbar versucht, die übrigen Sorgfaltsverstöße auszuklammern, ist dies verfehlt. Dass der Wanderweg äußerst übersichtlich gestaltet und der Beklagte weithin sichtbar gewesen sei, widerspricht den Feststellungen zur teilweise fehlenden bzw verdeckten Sicht der Klägerin auf den Beklagten. Dass die Klägerin die Gefahr aufgrund des wahrgenommenen Motorsägengeräusches erkennen hätte können, ändert nichts am insgesamt groben Verschulden des Beklagten (zum darauf gegründeten Mitverschuldenseinwand siehe weiter unten). Die zur akustischen und optischen Erkennbarkeit der Schlägerungsarbeiten behaupteten Feststellungsmängel liegen aufgrund der zu diesem Thema getroffenen Feststellungen nicht vor. Der der Entscheidung 6 Ob 193/00a zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil der gefällte Baum dort ua weit vom Weg entfernt stand und nicht auf diesen fallen sollte (dies war sogar auszuschließen), wohingegen der Baum hier aus Gründen der Arbeitsersparnis gerade auf den Weg fallen sollte, was erheblich strengere Sicherungsanforderungen begründet.

 

Bei Beurteilung des Mitverschuldens der Klägerin steht die Frage im Vordergrund, ob sie jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Benutzer des Wanderwegs in ihrer Lage angewandt hätte, um eine Schädigung zu verhindern oder abzuwenden. Das Ausmaß des Mitverschuldens begründet wegen seiner Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage. Das gilt auch für die Frage, ob ein Mitverschulden so gering ist, dass es gegenüber dem Verschulden des Beklagten gänzlich in den Hintergrund tritt und daher vernachlässigt werden kann.

 

Dass die auf einem markierten und nicht wegen Forstarbeiten gesperrten Weg wandernde Klägerin kein relevantes Mitverschulden trifft, wenn sie trotz wahrgenommenen – allerdings einem anderen Ort zugeordneten – Motorsägengeräusch auf dem Wanderweg weiterging, ohne sich durch Einsicht in das (allerdings teilweise nicht oder nur schlecht einsehbare) Gelände der Herkunft des Geräusches zu vergewissern, den Weg nur besonders vorsichtig zu beschreiten und Kontakt mit dem Forstarbeiter aufzunehmen, ist jedenfalls vertretbar. Mangels Hinweises auf die Forstarbeiten durfte die Klägerin davon ausgehen, den Wanderweg gefahrlos benützen zu können. Das Berufungsgericht wies auch zutreffend darauf hin, dass ein Sägegeräusch nicht stets das Fällen eines Baums signalisiert, sondern auch bei sonstigen Holzarbeiten entsteht. Dass der Beklagte vor dem Fällen des Baums eine Pause einlegte, sodass die Motorsäge unmittelbar vor dem Unfall nur verhältnismäßig kurz (das Berufungsgericht ging von maximal 2 Minuten aus; der Beklagte in seiner Berufung sogar nur von rund eineinhalb Minuten) zu hören war, spricht ebenfalls gegen ein (ins Gewicht fallendes) Mitverschulden. Zusammengefasst begründet es angesichts der gravierenden Sorgfaltsverstöße des Beklagten keine zu korrigierende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht der Klägerin (wenn überhaupt) nur eine bloß vernachlässigbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten angelastet hat.

 

Die Revision wendet sich unter dem Titel des vermeintlich fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs gegen die Ursächlichkeit der unterlassenen Aufstellung einer Warntafel gem § 1 Abs 1, 3 und 10 Forstliche Kennzeichnungsverordnung (BGBl Nr 179/1976) iVm § 34 Abs 2 lit b ForstG für den Unfall der Klägerin. Der erste Anschein spricht dafür, dass (auch) die Klägerin eine aufgestellte Warntafel beachtet hätte. Bereits das Berufungsgericht wies darauf hin, dass nicht feststehe, dass die Klägerin eine verhängte Wegsperre (und damit eine aufgestellte Warntafel) ignoriert hätte. Entgegen seiner Ansicht ist es dem Beklagten nicht gelungen, den ihn belastenden Anscheinsbeweis durch das Erwecken ernsthafter Zweifel zu widerlegen; bloße – durch die Tatsachenfeststellungen nicht gedeckte – Spekulationen reichen dafür nicht aus.