07.01.2019 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die sich potenziell negativ auf die Heiratsaussichten auswirkende Unfruchtbarkeit eines Mädchens als „Verunstaltung“ iSd § 1326 ABGB gewertet werden kann

Auch bei weiter Auslegung des Begriffs der Verunstaltung muss eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Geschädigten gegeben sein, die in irgendeiner Form auch sinnlich wahrgenommen werden kann; das ist bei einer auf einer Veränderung im Körperinneren beruhenden „Unfruchtbarkeit“ für sich genommen nicht der Fall, sodass sie auch nicht tatsbestandmäßig iSd § 1326 ABGB ist


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Verunstaltungsentschädigung, Unfruchtbarkeit eines Mädchens
Gesetze:

 

§ 1326 ABGB

 

GZ 1 Ob 214/18d, 21.11.2018

 

OGH: Nach § 1326 ABGB steht eine Entschädigung zu, wenn die verletzte Person verunstaltet worden ist und ihr (berufliches oder privates) Fortkommen dadurch behindert werden kann.

 

Als Verunstaltung gilt ganz allgemein jede wesentliche nachteilige Veränderung der äußeren Erscheinung. Darunter fallen nicht nur äußerlich sichtbare Beeinträchtigungen am Körper, sondern auch durch äußerlich nicht sichtbare Verletzungsfolgen hervorgerufene Beeinträchtigungen der äußeren Erscheinung, wie beispielsweise eine Sprachstörung, eine Ungeschicklichkeit oder ein Zittern der Hände als Folge einer Hirnverletzung, Taubheit, weil auch dadurch die äußere Erscheinung sinnfällig beeinträchtigt wird, oder der gänzliche bzw teilweise Verlust der Sehfähigkeit. Ob mit den Folgen einer Verletzung Beeinträchtigungen der äußeren Erscheinung des Geschädigten verbunden sind, ist nach der allgemeinen Lebensanschauung zu beurteilen.

 

Den im Wesentlichen auch schon vom Berufungsgericht genannten Entscheidungen ist gemeinsam, dass auch bei weiter Auslegung des Begriffs der Verunstaltung eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Geschädigten gegeben sein muss, die in irgendeiner Form auch sinnlich wahrgenommen werden kann. Das ist bei einer auf einer Veränderung im Körperinneren beruhenden „Unfruchtbarkeit“ für sich genommen nicht der Fall, sodass sie auch nicht tatsbestandmäßig iSd § 1326 ABGB ist.

 

Das Berufungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gar nicht behauptet wurde, dass der haftungsbegründende Behandlungsfehler eine ‒ mit der erektilen Impotenz eines Mannes vergleichbare und sich einem Sexualpartner offenbarende ‒ Beischlafunfähigkeit oder auch nur Einschränkung in der sexuellen Begegnung zur Folge hätte. Die Klägerin tritt diesen Ausführungen nicht entgegen und kann sich damit auch nicht auf eine Vergleichbarkeit ihrer auf den nicht lege artis durchgeführten Eingriff zurückzuführende Verletzung des inneren Genitales mit dem zu 1 Ob 715/86 entschiedenen Sachverhalt berufen, dem ua die (sichtbare und erhebliche) Verstümmelung des Geschlechtsorgans eines männlichen Jugendlichen zugrunde lag. Zu 2 Ob 89/88 war nicht nur eine Impotenz als eine für einen Sexualpartner wahrnehmbare nachteilige Veränderung, sondern auch eine Harninkontinenz zu beurteilen. Die auf das Prozessvorbringen der Klägerin reflektierenden Überlegungen des Berufungsgerichts halten sich damit jedenfalls im Rahmen der Rechtsprechung. In der Verneinung einer zu entschädigenden Verunstaltung der Klägerin liegt damit auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Mit dem Verweis auf ihre psychische Belastung – auch iZm einer zukünftigen Partnerschaft – spricht die Klägerin keine Fragen der Verunstaltungsentschädigung gem § 1326 ABGB an, sondern solche der Bemessung des Schmerzengeldes.