21.04.2020 Zivilrecht

OGH: Zur Frage der Ersatzfähigkeit von Schockschäden nach Tötung von Haustieren

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, die restriktive Haltung der österreichischen LuRsp zu überdenken; die Klägerin hat den – letztlich tödlich verlaufenden – Angriff auf ihre beiden Kleinhunde selbst provoziert, indem sie sie unkontrolliert an langen Flexileinen bellend auf den Beklagten und seine beiden, sich zunächst diszipliniert und gehorsam zeigenden Hunde losspringen ließ; erst dieses Verhalten löste die Reaktion der gegnerischen Hunde aus; die Gefährlichkeit der Situation lag nicht im Verhalten des Beklagten, sondern der (nach ihrem Vorbringen) schockgeschädigten Klägerin; dieser Faktor ist nicht bei der Wertung eines Mitverschuldens, sondern bei der Prüfung zu beurteilen, ob die Zufügung eines Schockschadens rechtswidrig war


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Körperverletzung, Ersatzfähigkeit von Schockschaden nach Tötung von Haustieren, Rechtswidrigkeitszusammenhang
Gesetze:

 

§ 1325 ABGB

 

GZ 10 Ob 3/20v, 18.02.2020

 

OGH: Die österreichische (und deutsche) Rsp und österreichische Lehre stehen dem Ersatz eines Schockschadens, den die Tötung eines geliebten Haustieres verursacht hat, ablehnend gegenüber. Als Rechtfertigung dient das in der österreichischen Jud zum Zuspruch von Schockschmerzengeld bei Tötung oder „schwerster“ Verletzung naher Angehöriger entwickelte Prinzip, dass der Schock im Hinblick auf den Anlass verständlich sein muss, um eine Ausweitung der Haftung zu verhindern.

 

Es mag durchaus sein, dass sich der Stellenwert von Haustieren, die manchmal menschliche Bezugspersonen ersetzen (müssen), aufgrund der zunehmenden Emotionalisierung der Mensch-Haustier-Beziehung in der Wahrnehmung der Gesellschaft geändert hat und psychische Belastungsreaktionen, die durch die Tötung des geliebten Haustieres hervorgerufen werden, in der Allgemeinheit auf mehr Verständnis stoßen. Zurechnungselemente auf Seiten des Schädigers sind jedoch nicht völlig zu vernachlässigen, um eine Haftung nicht ausufern zu lassen. Die Intensität der Beziehung Mensch-Haustier und damit die Eignung eines Unfallereignisses, bei dem ein Haustier (fahrlässig) getötet wird, einen Schockschaden beim Halter hervorzurufen, wird sich dem Schädiger nicht unbedingt erschließen. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, die restriktive Haltung der österreichischen LuRsp zu überdenken. Die Klägerin hat den – letztlich tödlich verlaufenden – Angriff auf ihre beiden Kleinhunde selbst provoziert, indem sie sie unkontrolliert an langen Flexileinen bellend auf den Beklagten und seine beiden, sich zunächst diszipliniert und gehorsam zeigenden Hunde losspringen ließ. Erst dieses Verhalten löste die Reaktion der gegnerischen Hunde aus. Die Gefährlichkeit der Situation lag nicht im Verhalten des Beklagten, sondern der (nach ihrem Vorbringen) schockgeschädigten Klägerin. Dieser Faktor ist nicht bei der Wertung eines Mitverschuldens, sondern bei der Prüfung zu beurteilen, ob die Zufügung eines Schockschadens rechtswidrig war.