11.08.2020 Zivilrecht

OGH: Zur Weitergabe von Handyvideos

Die Veröffentlichung von Lichtbildern kann auch dann gegen § 78 UrhG verstoßen, wenn sie als solche unbedenklich sind, dh wenn sie den Abgebildeten weder entstellen noch Vorgänge wiedergeben, die seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen sind


Schlagworte: Urheberrecht, Bildnisschutz, Recht am eigenen Bild, Anfertigung, Weitergabe, Lichtbilder, Handyvideo, Unterlassung, Rechtswidrigkeit, Interessenabwägung
Gesetze:

 

§ 78 UrhG

 

GZ 6 Ob 206/19s, 20.05.2020

 

OGH: Die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen ist nach § 78 UrhG zu beurteilen. Diese Bestimmung stellt auf die berechtigten Interessen des Abgebildeten ab. Durch sie soll jedermann insbesondere dagegen geschützt werden, dass er durch Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt. Die Veröffentlichung von Lichtbildern kann auch dann gegen § 78 UrhG verstoßen, wenn sie als solche unbedenklich sind, dh wenn sie den Abgebildeten weder entstellen noch Vorgänge wiedergeben, die seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen sind.

 

Um dem Wesen dieser Schutzbestimmung zu entsprechen, ist der darin enthaltene Begriff der Öffentlichkeit weit auszulegen: Jede Verbreitungshandlung erfüllt - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - den Tatbestand des § 78 UrhG, wenn damit zu rechnen ist, dass das Bildnis dadurch einer Mehrzahl von Personen sichtbar gemacht wird. Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung ist dabei nicht erforderlich. Auch kann es keinen Unterschied machen, ob die Personen das Bildnis im Rahmen einer Tätigkeit, die der Amtsverschwiegenheit unterliegt, oder ohne Bezug auf eine solche Tätigkeit zu Gesicht bekommen, wird doch auch im ersteren Fall unberechtigt in die Interessenssphäre des Abgebildeten eingegriffen und damit jener schädliche Erfolg erreicht, den die verletzte Norm gerade verhindern will.

 

Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt wurden, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es ist darauf abzustellen, ob die geltend gemachten Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung des einzelnen Falls als schutzwürdig anzusehen sind. Eine vom Abgebildeten nicht genehmigte Verbreitung eines Bildnisses kann zulässig sein, wenn dadurch ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten überhaupt nicht verletzt wird. Wird das Interesse des Abgebildeten an der Verhinderung einer Verbreitung als schutzwürdig erkannt, ist diese Verbreitung grundsätzlich unzulässig; behauptet dagegen derjenige, der dieses Bildnis verbreitet, ein Interesse daran, dass diese Verbreitung vorgenommen wird, dann müssen die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Der erste Schritt gilt daher der Prüfung, ob im Einzelfall überhaupt ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten vorliegt, das verletzt sein könnte; wenn nein, ist der rechtliche Schutz zu versagen; wenn ja, dann ist in einem zweiten Schritt die Interessenlage auf beiden Seiten zu beurteilen, aus deren Abwägung sich ergibt, ob die Geheimhaltungsinteressen prävalieren und damit zu „berechtigten Interessen“ werden. Dabei sind die Interessen der Abgebildeten daran, durch die Verbreitung ihres Bildnisses nicht bloßgestellt oder entwürdigend oder herabsetzend dargestellt zu werden, gegenüber dem Veröffentlichungsinteresse des Bildverbreiters abzuwiegen.