09.06.2011 Zivilrecht

OGH: Beratungsfehler eines Reisebüros gegenüber einer Familie – Klagelegitimation und Haftung für den entgangenen Urlaubstag

Bucht eine Person eine Reise für eine Gruppe oder für eine Familie, ist jedenfalls im Regelfall für alle Beteiligten klar, dass die in der Buchung als Reiseteilnehmer angegebenen Personen gegenüber dem vertraglichen Schuldner - was ihre eigene Reiseteilnahme betrifft - direkt anspruchsberechtigt sein sollen; der Schädiger ist für frustrierte Reisekosten des Verletzten ersatzpflichtig (hier: Ersatz der Kosten eines Urlaubstages, der wegen verschuldeter Reiseverzögerung nicht genutzt werden konnte)


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Reisebüro, Beratungsfehler, Klagelegitimation, Verträge zugunsten Dritter, Haftung für entgangenen Urlaubstag, Ersatz frustrierter Aufwendungen
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 881 ABGB

GZ 8 Ob 101/10a, 26.04.2011

 

Die Erstklägerin hat für sich, den Zweitkläger (ihren Ehegatten) und ihre beiden Kinder über die Beklagte als vermittelndes Reisebüro bei einem Reiseveranstalter für die Zeit vom 21. 12. 2007 bis 5. 1. 2008 eine Pauschalreise nach Jamaika mit Abflugort Düsseldorf gebucht. Den Zubringerflug von Wien nach Düsseldorf buchte die Klägerin (für sich, ihren Mann und ihre Kinder) über die Beklagte bei einer dritten Gesellschaft. Bei der Buchung teilte die damit befasste Mitarbeiterin der Beklagten der Erstklägerin fälschlich mit, dass das „Durchchecken“ von Wien nach Jamaika nicht möglich sei, der Zubringerflug jedoch so rechtzeitig in Düsseldorf ankommen werde, dass das Einchecken nach Jamaika noch möglich sei.

 

Als die Kläger mit ihren Kindern am 21. 12. 2007 in Düsseldorf ankamen, war es ihnen trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, für den gebuchten Flug nach Jamaika einzuchecken. Der Beklagten gelang es nicht, einen Ersatzflug zu besorgen. Schließlich gelang dies den Klägern selbst; allerdings konnten sie nur mehr einen Business Class-Flug für den nächsten Tag buchen, für den sie 8.941,48 EUR zahlten. Für die Übernachtung in Düsseldorf zahlten sie 155 EUR, an notwendig gewordenen Transferkosten in London 80,45 EUR.

 

Die Kläger begehrten von der Beklagten den Ersatz der eben genannten Aufwendungen sowie 590 EUR an „Ersatzleistung für einen entgangenen Urlaubstag“.

 

OGH: Bucht eine Person eine Reise für eine Gruppe oder - wie hier - für eine Familie, ist jedenfalls im Regelfall für alle Beteiligten klar, dass die in der Buchung als Reiseteilnehmer angegebenen Personen gegenüber dem vertraglichen Schuldner - was ihre eigene Reiseteilnahme betrifft - direkt anspruchsberechtigt sein sollen. Dies wird mit der Rechtsfigur des (echten) Vertrags zugunsten Dritter (§ 881 ABGB) erklärt. Nach § 881 Abs 2 ABGB ist aus einem Vertrag zugunsten eines Dritten der Dritte im Zweifel unmittelbar berechtigt, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereicht, was ja beim Reisevertrag im Regelfall (und jedenfalls bei den hier zu beurteilenden Verträgen) zu bejahen ist. Damit ist aber der Kläger unmittelbar aus dem zu seinen Gunsten geschlossenen Verträgen (auch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Reisevermittlungsvertrag) unmittelbar forderungs- und - als Folge des Beratungsfehlers - auch ersatzberechtigt. Den Rückgriff auf die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter bedarf es daher nicht, sodass sich auch ein Eingehen auf die dazu ergangene Rsp erübrigt, wonach das reine Vermögen des Dritten nur ausnahmsweise geschützt ist.

 

Da hier von einem echten Vertrag zugunsten auch des Klägers auszugehen ist, hat das Berufungsgericht seine Klagelegitimation zu Recht bejaht.

 

Gegen die Höhe des auf dieser Grundlage vorgenommenen Zuspruchs und gegen die Formulierung des Urteilsspruchs werden in der Revision keine Einwände erhoben.

 

Zur Haftung für den entgangenen Urlaubstag:

 

Dass nach § 31e Abs 3 KSchG unter den dort genannten Voraussetzungen nur der Reiseveranstalter zum Ersatz für entgangene Urlaubsfreude verpflichtet ist, trifft zu. Richtig ist auch, dass mittlerweile nicht mehr strittig ist, dass die Beklagte nicht - auch nicht hinsichtlich des Zubringerflugs - Reiseveranstalter iSd § 31b Abs 2 KSchG war. Dennoch erweist sich der Zuspruch der begehrten Ersatzleistung aus folgenden Überlegungen als zutreffend:

 

Die Kläger haben nie vorgebracht, mit der begehrten Ersatzleistung ideellen Schadenersatz iSe Ersatzes für entgangene Urlaubsfreude zu begehren. Ihrem - wenn auch nicht sehr ausführlichen - Vorbringen („Ersatz für einen entgangenen Urlaubstag“) ist vielmehr mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sie Ersatz dafür begehren, dass ihnen ein Tag des gebuchten (und gezahlten) Urlaubs entgangen ist und deshalb die dafür gezahlten Kosten frustriert sind. Es geht also um den Ersatz frustrierter Aufwendungen.

 

In seiner Entscheidung 2 Ob 113/09w hat der OGH - wenn auch aus Anlass eines Verkehrsunfalls und der Zahlung von Stornokosten - in Erweiterung der bisherigen Rsp frustrierte Reisekosten als ersatzfähig erachtet. Er verwies darauf, dass der Geschädigte, der vor dem Unfall eine Reise gebucht und dabei mit dem Reisveranstalter einen Reisevertrag abgeschlossen hat, dem Reiseveranstalter gegenüber den Anspruch auf Vertragserfüllung erlangt hat. Dabei handelt es sich um eine vermögenswerte, übertragbare und verwertbare Rechtsposition. Die Aufwendungen des Geschädigten, nämlich die Zahlung der Reisekosten bzw das Eingehen einer diesbezüglichen Verbindlichkeit, dienten demnach (auch) dem Erwerb eines vermögenswerten Guts. Sie fallen nicht unter die (nicht ersatzfähigen) allgemeinen - zeitweilig leer laufenden - Lebenshaltungskosten, sondern sind als Aufwand für die zeitlich konkrete einmalige Nutzung der erworbenen Rechtsposition anzusehen und daher ersatzfähig. Diese Überlegungen erweisen sich gerade auf den hier zu beurteilenden Fall als übertragbar, in dem die Möglichkeit, den gebuchten Aufenthalt (ungeschmälert) zu konsumieren, deklarierter Zweck des gebuchten Zubringerflugs und der in diesem Zusammenhang erfolgten Beratung war. Sie führen zur Ersatzpflicht der Beklagten für jenen Teil der Kosten des Urlaubs der Kläger, der auf jenen Urlaubstag entfällt, den sie wegen der von der Beklagten verschuldeten Reiseverzögerung nicht nutzen konnten.