13.07.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Ausgleichszulage zu Pensionen aus der Pensionsversicherung - Nettoeinkommen iSd § 292 ASVG (iZm Unterhaltszahlungen)

Nicht nach § 294 ASVG zu berücksichtigende Unterhaltsansprüche jeglicher Art gelten als Einkünfte iSd § 292 Abs 3 ASVG und sind bei der Bemessung der Ausgleichszulage als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden; bei der Ermittlung des Anspruchs auf Ausgleichszulage sind Einkünfte, von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, frühestens zu berücksichtigen, wenn sie schon zugeflossen sind; darüber hinaus muss aber eine gewisse zeitliche Kongruenz zwischen den Tatsachen, auf welche die Einkünfte zurückgehen, und den Pensionszahlungen bestehen; diese zeitliche Kongruenz wird sich im Allgemeinen nach dem Zeitpunkt richten, in dem der Anspruch auf die Einkünfte entsteht


Schlagworte: Pensionsversicherung, Ausgleichszulage, Nettoeinkommen, Unterhaltszahlungen, laufende Zahlungen, Einmalzahlung, zeitliche Kongruenz
Gesetze:

§ 292 ASVG

GZ 10 ObS 28/11g, 31.05.2011

 

OGH: Die Ausgleichszulage ist eine Leistung der gesetzlichen Pensionsversicherung und nicht eine Erscheinungsform der Sozialhilfe, mag sie auch fürsorgeähnliche Züge trage.

 

Die Ausgleichszulage gebührt in Höhe des Unterschieds zwischen der Summe aus Pension, Nettoeinkommen (§ 292 ASVG) und den gem § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen einerseits und dem Richtsatz (§ 293 ASVG) andererseits (§ 296 Abs 1 ASVG).

 

§ 294 ASVG regelt die pauschale Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen des Pensionsberechtigten gegen die Eltern bei der Ermittlung des Nettoeinkommens und ist daher im Anlassfall nicht anzuwenden.

 

Nettoeinkommen ist gem § 292 Abs 3 ASVG jenes Einkommen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten („Summe der Einkünfte … nach Ausgleich mit Verlusten“) letztlich verfügbar ist. Das ist jener Betrag, der dem Pensionisten real zur Verfügung steht und aus dem er die Ausgaben für seinen Lebensunterhalt tätigt. In diesem Sinn ist der zur Verfügung stehende Betrag nicht schon vorweg um Ausgaben zu kürzen, die der Bestreitung der Lebensführung dienen, und zwar unabhängig davon, ob diese Ausgaben bei einer Person überdurchschnittlich hoch sind.

 

Nicht nach § 294 ASVG zu berücksichtigende Unterhaltsansprüche jeglicher Art gelten als Einkünfte iSd § 292 Abs 3 ASVG und sind bei der Bemessung der Ausgleichszulage als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden. Da es nach stRsp Sache des beklagten Versicherungsträgers ist, durch Vorbringen entsprechender Tatsachen einzuwenden, dass der Anspruch des Pensionsberechtigten auf Ausgleichszulage zufolge von bestimmten Einkünften oder Unterhaltsansprüchen vermindert oder zur Gänze aufgehoben sei und Einkünfte, die er nicht einwendet, keinen Gegenstand des Rechtsstreits bilden, die beklagte Partei aber die Herabsetzung der Ausgleichszulage und die Rückforderung nicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche der Klägerin stützt, sind solche nicht zu prüfen. Gleiches gilt für allfällige Sachbezüge der Klägerin, die die beklagte Partei auch nicht als Herabsetzungs- und Rückforderungsgrund geltend macht. Zu prüfen ist nur, ob die Einmalzahlung und die seit März 2009 laufenden Zahlungen des Sohnes als Einkünfte der Klägerin zu berücksichtigen sind, denn allein darauf stützt sich die beklagte Partei.

 

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die seit März 2009 laufenden monatlichen Zahlungen des Sohnes an die Klägerin, also wiederkehrende Leistungen, Einkünfte der Klägerin iSd § 292 Abs 3 ASVG, sind doch die bei der Ermittlung des Nettoeinkommens des Pensionsberechtigten für den Anspruch auf Ausgleichszulage außer Betracht zu lassenden Einkünfte im § 292 Abs 4 ASVG abschließend aufgezählt, weshalb alle in diesem Ausnahmekatalog nicht genannten Bezüge in Geld oder Geldeswert zum Einkommen zählen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Sohn „wissentlich und willentlich“ ab März 2009 monatlich einen „Unterhaltsbetrag“ von 360 EUR der Klägerin gezahlt, über den sie verfügen konnte. Ob die Klägerin einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen hat ist ebenso wenig erheblich wie der Umstand, dass diese Zahlungen zum Unterhalt der Klägerin verwendet wurden.  Das Erstgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die monatlichen Zahlungen ab März 2009 als Nettoeinkommen der Klägerin zu berücksichtigen sind.

 

Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend auf den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für den Zeitraum vom 1. 4. 2005 bis 28. 2. 2009 die Einmalzahlung des Sohnes im März 2009 („Unterhalt für die letzten vier Jahre“ iHv 17.280 EUR) nicht als der Klägerin in diesem Zeitraum verteilt Monat für Monat zugekommene Unterhaltsleistung von 360 EUR angerechnet. Im Gesetz fehlt für die Feststellung des Anspruchs auf eine Ausgleichszulage eine Aussage darüber, aus welchem Zeitraum die Einkünfte des Pensionsberechtigten zu berücksichtigen sind. Nach stRsp sind, von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, Einkünfte bei der Ermittlung des Anspruchs auf Ausgleichszulage frühestens zu berücksichtigen, wenn sie schon zugeflossen sind. Darüber hinaus muss aber eine gewisse zeitliche Kongruenz zwischen den Tatsachen, auf welche die Einkünfte zurückgehen, und den Pensionszahlungen bestehen. Diese zeitliche Kongruenz wird sich im Allgemeinen nach dem Zeitpunkt richten, in dem der Anspruch auf die Einkünfte entsteht. Mangels Rechtsanspruchs der Klägerin auf Leistung aus dem „Unterhaltsvertrag“ vom 21. 2. 2005 ist die Einmalzahlung nicht die Zahlung rückständigen Unterhalts, sodass die zeitliche Kongruenz fehlt und die Zahlung nicht als Einkünfte der Klägerin im Zeitraum 1. 4. 2005 bis 28. 2. 2009 auf die Ausgleichszulage anrechenbar ist.