31.08.2011 Verfahrensrecht

OGH: Schutz vor Gewalt in Wohnungen gem § 382b EO und allgemeiner Schutz vor Gewalt gem § 382e EO – Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens / weiteren Zusammentreffens

Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten auf die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, desto eher wird nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit auszugehen sein; je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gezeitigt hat, je länger es - ohne weitere „einschlägige“ Vorkommnisse - zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird man dem betroffenen Ehegatten das weitere Verbleiben oder Zusammentreffen zumuten können


Schlagworte: Exekutionsrecht, einstweilige Verfügungen, Schutz vor Gewalt in Wohnungen, allgemeiner Schutz vor Gewalt, Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens / weiteren Zusammentreffens, Psychoterror
Gesetze:

§ 328b EO, § 382e EO

GZ 7 Ob 102/11t, 06.07.2011

 

OGH: Nach stRsp kommt es bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO, was auch für das weitere Zusammentreffen nach § 382e EO gilt, auf das Ausmaß, die Häufigkeit und Intensität der angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe sowie bei - ernst gemeinten oder als solche verstandenen - Drohungen auf die Wahrscheinlichkeit deren Ausführung an. Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten auf die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, desto eher wird nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit auszugehen sein. Je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gezeitigt hat, je länger es - ohne weitere „einschlägige“ Vorkommnisse - zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird man dem betroffenen Ehegatten das weitere Verbleiben oder Zusammentreffen zumuten können. Wird „Psychoterror“ ausgeübt, ist die Auswirkung gerade auf die Gesundheit des Antragstellers von Bedeutung; nicht maßgeblich ist hingegen, was ein Durchschnittsmensch als Psychoterror empfindet. Die subjektive Auslegung des Begriffs „Psychoterror“ kann aber nicht so weit gehen, dass jegliches Verhalten, das nicht den normalen Umgangsformen entspricht, aus einer subjektiven Sichtweise heraus die Unzumutbarkeit begründen könnte. Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person unzumutbar ist, stellt grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO dar.

 

Die gefährdete Partei (Antragstellerin) konnte die in ihrem Antrag behauptete Bedrohung und Wegnahme der Wohnungsschlüssel durch den Gegner der gefährdeten Partei (Antragsgegner) nicht bescheinigen. Vielmehr steht fest, dass sich der Antragsgegner lediglich gegen das Festhalten durch die Antragstellerin gewehrt hat. Es ist zwar bescheinigt, dass die Antragstellerin - auch aufgrund ihrer Erkrankung - sehr ängstlich auf die Besuche des Antragsgegners im Haus reagiert und sich bedroht fühlt. Nicht bescheinigt ist aber, dass bereits diese ganz vereinzelt vorkommenden Zusammentreffen den Gesundheitszustand der Antragstellerin verschlechtern. Ein die Gesundheit gefährdendes Zusammenleben liegt nicht vor, weil die Streitteile schon seit mehreren Jahren getrennt leben. Die Ansicht des Rekursgerichts, der Antragstellerin sei es nicht gelungen, Tatsachen zu bescheinigen, aus denen sich ableiten ließe, sie werde durch das Verhalten des Antragsgegners so beeinträchtigt, dass ihr sogar ein - wie bisher nur äußerst seltenes - Zusammentreffen unzumutbar sei, ist daher vertretbar. Sollte aber der Antragsgegner ohne einen objektiv notwendigen Anlass mit der Antragstellerin in Zukunft häufiger Kontakt aufnehmen oder mit ihr zusammentreffen, obwohl er weiß, dass sie sich - insbesondere aufgrund ihrer Krankheit - vor ihm fürchtet, und es damit darauf anlegen, sie zu beunruhigen oder auf sie Druck auszuüben, so steht einer neuerlichen Antragstellung nach § 382e EO nichts entgegen.